Was ist das hier für eine Seite?

Eberle ist eine Figur, die ich als NPC im Spiel "diekoenigreiche.com" erschaffen habe. Doch mittlerweile ist er für mich weit mehr als nur ein NPC, er hat eine eigene Geschichte, eine eigene Vergangenheit und ich fands eigentlich schade, dass die Geschichten um ihn irgendwann verschütt gehen würden.


Und so hab ich ihn hier in diesen Blog gestopft.


Ich danke dem Spieler des Ansgar ("der Schwarze) für die Genehmigung, seine Beiträge mit verwenden zu dürfen.





Freitag, 26. März 2010

Petri Heil!

12. Nebelung

Bewaffnet mit Schnur, Haken und einem komischen Ding aus geflochtenen Weiden, ähnlich wie ein Korb, stapfte Eberle in Richtung des kleinen Baches, der von der Donau abzweigte und in Richtung der Stadt floss…nicht allzu lang trennte sich dieser Nebenarm vom Hauptarm , doch in diesem gab es zu Hauf Fisch, so hatte sein Freund, der Schenkenwirt Jakob, ihm verraten. Gleich nachdem er Winella zugesagt hatte, „an Haufa Fisch“ zu besorgen, war er in seine Lieblingsschenke eingetreten und hatte sich den Jakob geschnappt. „Musst mia helfa, Jackl“, flüsterte er und erklärte ihm das Problem.
Wie hätte er denn Frau Winella auch die Bitte abschlagen können? Immerhin hatten sie und der Herr Ansgar sich um ihn gekümmert und ihm sogar hier eine neue Heimat gegeben. Wie hätte er da sagen sollen, dass er keinen blassen Schimmer davon hatte, wie man Fische aus dem Wasser bekam.
Aber dafür gabs den Jackl, der ihm auch die Ausrüstung in die Hand drückte.

Er war am Bach angekommen. Auch hier war das Wasser trübe, wie die Donau auch, die Regenfälle waren dafür verantwortlich. „A wurscht“, murmelte Eberle, „sehn solln die eh nix, nur boaßa“.
Wie Jakob gesagt hatte, hing er die Schnüre samt den Drahthaken in den Bach. „Ah, Dippel, damischer“, schimpfte er, als er merkte, dass er was vergessen hatte. Er zog also die Haken wieder heraus, sah sich um und stochert dann mit einem Stock im Erdreich herum. Eine Weile brauchte es, dann bückte er sich…immer wieder, bis er eine stattliche Anzahl an Würmern beisammen hatte. Doch wohin damit……einen Moment lang war er versucht, sie einfach in die Hosentasche zu stecken…“naaa, so blead bin i doch ned“, missbilligend schnalzte Eberle mit der Zunge. Kurzerhand nahm er den Hut ab und legte sie da hinein. Einen nahm er, nen richtig Dicken, der sich ziemlich wehrte, um nicht aufgespießt zu werden. „Pech ghabt, Du kimmerst di jetzert drum, dass wia an ordentlich dicken Fisch kriagn.“
Dicker Wurm, dicker Fisch…das leuchtete dem Eberle nämlich ein. Er war ja kein Dummkopf.

Die Zungenspitze kreiste im selben Takt um seine Lippen herum, wie der Wurm sich kringelte, doch nach einer Zeit hatte er ihn befestigt. Er warf die Schnur samt Haken ins Wasser und band ihn an einem Ast fest, der etwas über den Bachlauf ragte. Arg musste er sich strecken, der Kleine, doch es gelang. Nach und nach wurden so vier Schnüre in den Bach geworfen und an verschiedenen Bäumen befestigt…die sanfte Strömung zog sie dann in die Mitte des Wassers. Begeistert von seiner Leistung fieberte der Eberle dem ersten Rucken entgegen.

Nach einer Weile war sein Eifer etwas abgekühlt. Eberle langweilte sich. Er konnte nicht mal sehen, ob sich ein Fischlein überhaupt interessierte. Ob er mal guckte? Vielleicht hatten sich die Würmer schon befreit? Vorsichtig zog er nach und nach die Haken heraus, doch die Würmer waren noch dran. Sie sahen ein bisschen seltsam aus. „Ach, dös kenna dia Fisch eh ned seang in derer Drecksbriah“, murmelte er und ließ sie wieder eintauchen.

Eine kleine Untiefe im Bach erweckte seine Neugierde. Früher, als er noch ein kleiner Bub gewesen war, da hatte er mit seinem Spezl, dem Wiegand, kleine Dämme gebaut. Ein breites Grinsen erschien auf Eberles Gesicht. Er blickte sich um, doch niemand war zu sehen. Die nächste Zeit verbrachte er damit, Steine zu rollen, zu einem Damm aufzuschichten, von Stöcken gestützt, so dass neben dem Bachlauf nun ein kleiner Teich entstanden war. Seine Beine waren zwar eiskalt, denn von Zeit zu Zeit war er ins Wasser getreten, aber der Eberle glücklich. Er war schon früher der beste Dammbauer unter den Buben gewesen. „Glernet is hald glernet“, brummte er zufrieden.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass eine der Schnüre sich heftig bewegte. „Je“, murmelte er, „da muss i glei….“ Er rannte hin und zog fest an der Schnur und war begeistert, als er Widerstand spürte. Ein Fisch. EIN FISCH. Der Eberle war ganz narrisch vor lauter Glück. Schon hielt er an kurzer Schnur einen wild um sich tobenden Fisch. „Und jetzert?“, grübelte er….einen Stock zum auf den Fischschädel hauen hatte er nicht, an die Steine kam er nicht heran. „Ach, is doch wurscht“, kurzerhand schlug er den Fisch an den Baum und schon war die Sache erledigt. Beim Versuch, den Fang vom Haken zu lösen, stach er sich einige Male in den Finger.

Ein Fisch. Frau Winella würde stolz auf ihn sein. Allerdings hatte sie von mehreren gesprochen….na, das würde er auch schaffen.

Zur Mittagszeit, Eberle konnte immer sagen, wenn Mittag war, denn da knurrte pünktlich sein Bauch, hatte er immerhin schon fünf Fische, die tatsächlich auch mehr als zwei Hände lang waren. Er war entzückt. Das war doch gar nicht so schwer, dieses angeln. „Odr i bi a toller Hecht“, Eberle kicherte laut über sein Wortspiel. Aus der Tasche zog er ein Stück Brot und ein Stück Trockenfleisch, welches ihm das Weib seines Meisters mitgegeben hatte. Mittlerweile lugten ein paar Sonnenstrahlen durch den Hochnebel und Eberle erkannte, wie er da so am Ufer hockte und kaute, dass der Bach sich etwas geklärt hatte. Er sah einen ganzen Schwarm großer Forellen. „Eich kriag i a no“, Eberle grinste.

Eigentlich seltsam, dass niemand sich hierher verirrte. Ob das am schlechten Wetter lag?
Eine Bewegung ließ den Eberle innehalten beim Kauen. Da kam ein junges Weib, beinah noch ein Mädel, so jung, in Richtung der Stelle, wo er seine Angeln hatte. „Blitzsaubers Dearndl“, murmelte er anerkennend. Zarte Gestalt, braunes Haar, ordentlich aufgesteckt. Dass die Kleidung ärmlich ist, fiel ihm, den Kerl, nicht auf. „Griaß Di“, seine tiefe Stimme schallte ordentlich hier draußen in der freien Natur und er nahm sich etwas zurück, wollte er das Mädel doch nicht verängstigen, „hab koa Furcht, i dua dir nix. Mach´st Mittagsrast?“ Er hätte ja gern den Hut gezogen, soviel Anstand hat auch der Eberle, doch der nämliche Hut lag gefüllt mit Würmern am Bachufer. Also nickte er nur freundlich. Beim Näherkommen entdeckte er Sommersprossen in dem Gesicht, das trieb ihm ein Lächeln ins Gesicht, hat doch seine Agatha, der Herr habe sie selig, auch das ganze Gesicht voll gehabt. „Roßmuckn“, Eberle grinste.
Der kleine dicke Bayer Eberle wandte sich wieder dem Tagwerk zu. Er stand verzagt am Ufer des kleinen Baches.

Zehn Fische hatte er. Er war ja überrascht, dass er überhaupt was gefangen hatte. Aber zehn Fische waren sicher zu wenig. Brummend wippte der Eberle in seinen Holzschuhen vor und zurück und überlegte. Er wollte Frau Winella doch nicht enttäuschen.
Vielleicht, wenn er den Bach auf der einen Seite mit Holz, Ästen, Steinen und Stämmen versperrte und von der anderen Seite mit diesem komischen Korb durchging, vielleicht verirrte sich dann der eine oder andere da rein. Das erschien ihm als guter Plan, er kratzte sich mehrmals am Hinterkopf, doch ihm fiel nichts ein, was dagegen sprach, im Gegenteil. Je mehr er überlegte, desto genialer erschien es ihm. Er war halt doch ein ganzer Kerl…und die Fische…eben nur Fische. "Schwoabafisch gar". Freiwillig würden die ihr Leben nicht rausrücken, waren doch die Schwaben fürs sparen bekannt.

Er holte diesen komischen Korb. Oben war er breit, nach unten wurde er immer schmaler. Es dauerte eine Weile, bis er den Bach so abgesperrt hatte, dass oben noch das Wasser drüberlaufen konnte, aber keine Fische mehr durchkamen. Dann stieg er vorsichtig in den Bach….und gleich wieder raus, denn schon wieder zappelte an der Baumschnur etwas.
Als auch dieser Fang herausgeholt und getötet worden war, stieg er wieder ein. „Saxendi, is des eisig“, Eberle biss so fest die Kiefer aufeinander, dass ihm die Kinnlade schon weh tat. Vorsichtig, bis zu den Knien im Wasser nun, den Korb vor sich herschiebend, trieb er den Forellenschwarm vor ihm her, Richtung selbstgebauter Absperrung.

Es ging alles blitzschnell. Von der linken Seite kam ein großer Schatten angezischt, der Schwarm rechts an ihm vorbei, zwei der Forellen tatsächlich in den Korb, doch noch nicht ganz darin, war einer der beiden schon im Maul des großen Schattens. Vor Schreck zog Eberle den Korb hoch, Öffnung nach oben, darin zwei Fische und ein halber, der im anderen steckte und das wohl nicht wollte, dieser Kampf brachte Eberle zum Schwanken. Er knickte um, klatschte rückwärtig in den Bach, den Korb hoch erhoben.

Eberle blieb die Luft weg angesichts der Kälte, er schoss wieder hoch und sprang samt Korb ans Ufer. Keuchend blieb er liegen, nach Atem ringend. Er sah, wie der große Schatten, ein Hecht, wie er nun sah, mit dem Beutefisch im Maul herum hüpfte – bedenklich näher zum Bach wandernd. „Oh, na, dös koanst vergessa“, Eberle blickte sich um, fand nix, nahm kurzerhand den Holzschuh vom Fuße und ließ diesen auf den Fischkopf niedersausen. „A Ruah is“, stieß er heraus, und tatsächlich – der Fisch rührte sich nicht mehr. Vorsichtig bog er den Kiefer des Raubfisches auseinander und holte die Forelle raus. „Fast no wia neu“, Eberle grinste. Auch die zweite Forelle aus dem Korb bekam einen letzten Denkzettel mit dem Holzschuh.

Dann wurde ihm klar, dass es ihn fror. Kein Wunder, war er ja auch patschnass. Das Abenteuer Angeln würde er für heute aufgeben müssen. Traurig blickte er auf die Ausbeute, er hatte gehofft, wenigstens zwanzig Fische mitzubringen, er hatte sich doch so schön ausgemalt, wie Frau Winella ihn loben würde. Er band die Angelschnüre los und rollte sie zusammen, nun schon feste mit den Zähnen klappernd. Alle Fische warf er in den Korb und ging dann noch zum Ufer, um seinen Hut zu holen. Da sah er es. Offenbar durch sein Missgeschick waren noch fünf Forellen über den kleinen Staudamm, denn er gebaut hatte, gespült worden und saßen nun in diesem kleinen Teich fest. Mit feistem Grinsen zog er den Holzschuh wieder aus und holte auch diese Beutefische in den Korb. Dann packte er hastig seinen Hut, setzte ihn auf und hastete in Richtung des Hauses von Frau Winella.

Dass der Hut nicht leer war, hatte er vergessen.

Schnatternd vor Kälte gelangte ein ziemlich blaugefrorener Eberle am Haus in der langen Gasse an, wo das Haus des Weibes vom Meister stand. Er klopfte. Hastig nahm er noch den Hut ab, wohlerzogen, wie er war.
Es klopfte und Ella ging zur Türe, um zu öffnen.

Draußen stand ein schlotternder Eberle, mit dem Hut in der Hand, blauen Lippen und einem Haufen Würmer auf dem Kopf. Ella starrte ihn nur an. Hatte nicht die Mutter Ammenmärchen von einem Weib erzählt, welches Schlangen auf dem Kopf hatte statt Haare. Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken abzustreifen. Langsam lösten sich zwei, drei der Würmer vom Haupte des kleinen Bayern und klatschten auf den Boden. Der Geißenpeter erhob sich, tapste dorthin, schnüffelte und öffnete dann sein großes Maul.

„Wäh“, Ella schüttelte sich. Dann erst packte sie den Eberle am Arm, fühlte, dass er eiskalt gefroren war und zog ihn mit einem Aufschrei in die Hütte. „Eberle, bist Du verrückt? Wieso rennst Du draußen rum, wenn Du nass bist.“ Sie packte ihn vor den Herd, holte ihm eine Decke und hing sie ihm um. Ein paar weitere Scheite wanderten in das Feuer, bis es rot glühte. Die Handvoll Würmer hatte sie entfernt – sie lagen nun vor der Türe und der Peter saß mit träumerischem Blick davor.

Ella drückte dem immer noch mit den Zähnen klappernden Eberle eine Schale heiße Suppe in die Finger. Dann fiel ihr Blick auf den Korb. „DAS HAST ALLES DU GEFANGEN?“ Ella war wirklich beeindruckt. Es waren mehr als ein Dutzend Forellen….und ein großer Hecht. Letzterer rang Ella wirklich großen Respekt ab, die Fangzähne eines solchen waren nicht ohne. Sie hatte Eberle wirklich unterschätzt.

Samstag, 20. März 2010

Wie der kleine Bayer Eberle mal saumäßiges Glück hatte....

Der kleine dicke Bayer Eberle zog fröhlich den alten Zossen vom Holzmacher am Zügel hinter sich her. Der Schwarze hatte ihn zum Holzhacken geschickt, ihm eine Axt in die Hand gedrückt und das Weib von ihm noch einen Korb mit Brotzeit dazu. „I werd gucka, no oan oder zwoa Hasn mit huim z´bringa“, hatte er grinsend versprochen.

Der Torwächter gröhlte, als das nette Paar vorbei kam, verkniff sich aber eine Bemerkung.

Bald schon war der Eberle im Wald und die nächste Weile war er fleißig beim Holz hacken. Eine Buche lag vor ihm am Boden und war bereits in dicke Scheiben zersägt worden. Um es aufladen zu können, spaltete er es nun mit der Axt. „Wia´r d´r Vogel schoaßt, so d´r Baum roaßt“, summte er vor sich hin, so hatte er es von seinem Vater gelernt. Er kam gut voran, trotz der Kälte stand Schweiß auf seiner puterroten Stirne.

So war es erst kurz vor Mittag, wie er aus dem Stand der Sonne, die zumindest als helle Scheibe durch den grauen Himmel zu erkennen war, ablesen konnte, als der halbe Wagen schon beladen war und er sich daran machte, die nächste Buche zu keilen. Tief trieb er den Keil in die Kerbe, doch die Buche schien zäh und so beschloss er, zunächst Brotzeit zu machen. Er legte die Axt auf den Boden und ging zum Wagen.
Eberle bediente sich ausgiebig aus dem Korb, den Frau Winella ihm mitgegeben hatte. Ein großes Stück Geräuchertes fand sich ebenso darin wie Brot und ein Krug Bier, den er abschließend die durstige Kehle hinabstürzte. Während er einige Schritte abseits ging, um sich im Gebüsch zu erleichtern, zollte ein gewaltiger Rülpser Tribut an die große Menge des süffigen Getränkes. In dem ansonsten stillen Wald hallte dieser wie Donner und Eberle kicherte vor sich hin.

So bemerkte er nicht, dass in einiger Entfernung aus einem Gebüsch zwei Ohren hochgereckt worden waren, eine rüsselartige Schnauze mit schwarzgrauem borstigem Fell reckte sich schnüffelnd in die Höhe. Eberle knöpfte den Hosenlatz wieder zu und holte sich aus dem Korb noch einen Apfel, in den er herzhaft hinein biss. „Jetzert no den Baum ummacha und dann guck i no nach dena Hasn“, brummte er gutmütig. Sein Blick fiel auf den Butzen, wo ihn ein dicker Wurm mit wedelndem Hinterteil begegnete. „Bah“, er spuckte den Bissen aus, den er gerade im Mund hatte und schleuderte den Apfelbutzen in die Büsche. Ein Grunzen war daraus zu hören, ungläubig drehte sich der Eberle um und sah zu seinem Entsetzen eine fette Wildsau mit hochgestellten Ohren und Schwanz auf ihn zu rennen, Apfelkrümel hingen auf dem haarigen Schädel. „Oh-oh, dia is gräsig“, fuhr es dem kleinen Bayern durch den Kopf, während er versuchte, sich irgendwo in Sicherheit zu bringen.

Er rannte hinter den Wagen, doch irgendwie war das Vieh gut zu Fuß, denn schnell war es heran, mit drohendem Geräusch rannte es um den Wagen herum, Eberle tat es ihm gleich, hastig überlegend, was er tun könnte. Doch mit einer ausgewachsenen Wildsau nahm man es nicht so einfach auf, und Waffen hatte er eh keine, sein kleines Jagdmesser hatte er zum Brotzeitmachen herausgenommen und dann in den Stamm des Baumes gerammt.

Drei, viermal rannten sie um den Wagen herum, Sau und Kerl, dann beschloss Eberle, es ginge so nicht weiter. Bis zum Baum war es nicht weit. Mutig beschloss der kleine, nun sehr kurzatmige Kerl, dorthin zu rennen und sich zumindest das Messer zu holen. Er rannte los und hörte hinter sich schon die Hufe des Schwarzkittels. Nur noch ein paar Schritte….

…mit weit ausgebreiteten Armen fiel er über die auf dem Boden liegende Axt und knallte mit der Schulter unterhalb der Kerbe der Buche…ein Krachen, dann brach der Baum, der kleine Mann krümmte sich vor Schmerz und drehte sich unwillkürlich jaulend auf die Seite…so dass ihn der niedersausende Baum nicht treffen konnte. Hinter ihm war Ruhe eingekehrt. Jeden Augenblick mit dem Angriff des Wildschweins rechnend hob er den Kopf….da sah er, dass der gefällte Baum die Wildsau wohl am breiten Schädel getroffen hatte…sie röchelte nur noch, betäubt. Eberle erhob sich taumelnd, griff nach dem Jagdmesser und stach dem Schwein an die richtige Stelle der Kehle. Zuckend blutete das Tier aus während der kleine Kerl sich mit der unverletzten Hand den Schädel kratzte. „Ja, i verreck“, murmelte er.

Eine Weile stand Eberle da und schnaufte. Und überlegte. Als ihm einfiel, wie Frau Winella wohl gucken würde, wenn er mit so einem Braten nach Hause käme, überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. Schon damals, beim Fischen, hatte sie ihn gelobt….und mit solch einem Fleischberg wenn er kam…. "da bin i ihra Held".

Kurze Zeit später hatte er das Trumm Wildsau an den Hinterläufen zusammengebunden und an einen starken Ast gebunden, wo es weiter ausblutete. Mit seinem Messer öffnete er die Bauchdecke und holte die Innereien heraus. Was verwertbar war, stopfte er nach einiger Zeit wieder hinein, das Fell würde Frau Winella der Sau sicher selbst abziehen. Oder der Schwarze. Mann, der würde staunen.

Während er mit hochgekrempelten Ärmeln Leber und Nieren des Tieres wieder tief in den Wanst steckte, fiel ihm plötzlich etwas ein, was ihn erschreckt inne halten ließ. „Himmelsakramentsaxendi“, schnaufte er, „wem g´hert dös depperte Viach?“ Schon von Landshut her wusste er, dass die hohen Herren nicht erfreut waren, wenn man auf ihren Ländereien wilderte. Der Schusterjockel hatte einmal Prügel gekriegt von den Bediensteten des Herren von Branden, als er dessen Prachthirsch erlegt hatte. „Aber i hob´s jo ned mit Absicht gmacht“, überlegte er, „dös is doch dann koa wildern, denk i. Dia Sau, dia damische, hot sie ja quasi sölbst g´richt“. Ob die Wächter der Burg das aber auch so sahen? Wenn der Herr der Burg ihn foltern ließ? Wo war die Burg eigentlich? Wem gehörte das Land hier überhaupt?

Nun hatte der kleine Mann ordentlich Schiß. Verstohlen blickte er sich um, ob ihn wohl einer beobachtete, wie er bis über die Ellbogen in der Sau rumwühlte. Jedes Knacken im Wald trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. „Wos soll i bloaß macha?“. Rumliegen lassen ging nicht, da kam man ihm gleich drauf. Vergraben? „I bi doch ned blead“. Schließlich beschloss er, es auf den Wagen zu packen und mit Holz zugedeckt nach Ulm zu schaffen. Der Schwarze würde vielleicht Rat wissen. Oder sein Weib. „Od´r gar beide“.

Er schaffte die Sau auf den Wagen. Beugte Holz darauf, doch es reichte nicht. Aufmerksam auf Beobachter lauschend spaltete er Holz von der zweiten Buche wie ein Besessener, als die Dämmerung herauf kroch, war der Wagen voll. Hurtig spannte er den Zossen vor den Wagen, dann rannte er, das Pferd hinter sich herziehend, zum Stadttor.

Da stand freilich wieder sein Freund, der Torwächter. „Na, bisch fleissig g´wä?“ Mit mühsamen Grinsen antwortete Eberle: „Ja, freili, ab´r dös Mistviach hot mi ganz nett g´fuxt“. Da kam doch der Torwächter tatsächlich heran. „Soooo?“ Und blickte neugierig auf den Wagen. „Sog amoi, dei Weiberts“, fieberhaft suchte Eberle nach einer Ablenkung, damit der Schwabe nicht länger als nötig in den Wagen blickte und die Sau sehen würde, „dia hot unlängscht bei moaner Frau Winella nach Kreitern g´frogt, host etwa a Broblem? Sia hot allweil so auf“, er deutete auf den Unterleib, „ zoagt und ihran Grind g´schüttelt. Wui Dei Glamps nimmer reacht?“. Erstaunt sah er, wie der Schwabe rot wurde und ihn unwirsch weiter winkte. Doch er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Hastig zog er den Karren in Richtung der kleinen Gasse, wo Winella und auch Ansgar wohnten. Wild klopfte er, dort angekommen, an Winellas Türe.

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Winella richtete das Nachtmahl für Ansgar, als es klopfte. Den Nachmittag hatte sie bei Trine, Vitus und den Kindern verbracht. Sie mochte die Geschwister Ansgars sehr. Heute hatte Vitus hin und wieder mit seltsamen Blick zu ihr gesehen, das konnte sie sich nicht erklären.

Sie trocknete sich die Hände an der Schürze und ging zur Türe. Ein aufgebrachter Eberle stand draußen und erklärte in atemberaubender Geschwindigkeit, mit vielen Gesten und Geräuschen, etwas von Holz und Schwein.

"Eberle, beruhig Dich erstmal und komm rein", sie warf einen Blick zum Wagen, doch der kleine Bayer hatte das Ross angebunden, so dass es nicht fort konnte. Kurzerhand packte sie ihn am Arm, als der neugierige Nachbar näher kam. "Rein da".
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Das Weib vom Meister schubste ihn in die Hütte rein.

Drinnen erzählte er, was passiert war. "I hob a Schwein am Karra oba, dös is verreckt im Wald draußa....so ähnlich halt". Grob schilderte er, wie das Wildschwein ihn angegriffen hatte, und wie er es nach wildem Kampf besiegt hatte. Den Blatschari am Grind oba werds scho übersenga, die Frau Winella, dachte er.

Wehleidig zeigte er dann, wo das Vieh ihm in die Schulter gerammt hatte. "Duat fei bluatig weah, Moasterin, host mer ned was Guats draufzumschmiara?"

Dann fiel ihm das Dilemma wieder ein, in seiner vollen Pracht. "Mei, Frau Winella, wos soll mer dua? Miar hom a klauts Sauviach am Oarsch und morga fangat zu allem Übel noch ds´fasten o".
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Bis weit über das Nachtmahl hinaus hatte er mit dem Bruder in der Schankstube vom Jakob gesessen und geredet. Der ein oder andere Becher Bier war dabei durch ihre Kehlen geflossen und am Morgen stand Ansgar mit dickem Schädel aus den Laken.

Der Entschluss, den Zuber dort zu lassen, wo er war und Eberle statt dessen zum Holz holen zu schicken war noch vor der Morgensuppe gefasst worden. Ansgar selbst nahm den Brummschädel zum Anlass seine Pläne zu ändern. Anstatt der anstrengenden und lauten Arbeit am Hobel - er hatte eine Bestellung für einen Händler angenommen, der mehrere Klafter gehobeltes Holz benötigte - ging er nach einem Schmied oder wenigstens Steinhauer für das Taufbecken suchen. So war er den ganzen Tag an der eisigen aber frischen Luft und auch wenn er nichts erreicht hatte, war der Kopf am Abend wieder klar.

Nun kehrte auch der Hunger zurück, der ihm den ganzen Tag ferngeblieben war und Ansgar eilte sich, zum Weib zu gehen. Ein kurzes Klopfen, schon stand er im Raum und hörte wie Eberle sprach.

".... Sauviach am Oarsch und morga fangat zu allem Übel noch ds´fasten o".

"Eine Sau hast du ? Die kann man doch einlegen oder ?" Der Küster sah Winella fragend an, während er zu ihr ging und sie auf die Stirn küsste. Leiser sagte er "Ich habe Hunger, wann gibts Essen ?"
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Eine wilde Geschichte wurde ihr von Eberle da aufgetischt. Hin und wieder schüttelte sie den Kopf. Dann beugte sie sich vor, um nach seiner Schulter zu sehen. Vorsichtig zog Winella das Hemd des kleinen Kerls runter und drückte sanft mit den Fingern. Blau verfärbt war die Schulter , doch nicht gebrochen; aufgeschürft, kleine Holzsplitter steckten darin. Sie zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.

"Freilich, setz Dich nur, ich hab Dir was, das helfen wird".

Während sie zur Truhe ging, öffnete sich die Türe und Ansgar trat herein, die Bemerkung Eberles erwidernd. Kurz küsste er sie, fragte nach dem Nachtmahl.

"Es ist fertig, Ansgar; wenn Ihr mögt, es ist warmes Wasser bereit, wenn Ihr Euch zuvor waschen wollt. Ich guck nur kurz nach dem Helden hier, der eine wilde Bestie erlegt hat". Sie nahm die Paste aus der Truhe und stellte sie auf den Tisch. Sanft rieb sie die farbenfroh schillernde Wunde mit der Paste ein und legte Linnen darauf. "So", murmelte sie, wischte die Hände an der Schürze ab und ging zur Feuerstelle, um für die Kerle und sich knusprige Fleischpastete zu holen.

Als sie alle saßen und das Tischgebet gesprochen hatten, bat Ella Eberle noch einmal die Geschichte zu erzählen und schmunzelte in den Teller hinein, um wieviel gefährlicher und wilder der Beutefeldzug nun geworden war. Nichtsdestrotrotz war es eine Leistung, einen aufgebrachten Schwarzkittel zu erlegen, und dafür gebührte ihm Respekt, auch wenn es vermutlich etwas anders zugegangen war, als er beschrieb.

"Wir haben also da draußen auf dem Wagen ein Wildschwein, welches sich unter seltsamen Umständen dort zum Sterben niedergelegt hat. Was tun wir, Ansgar?" Fragend blickte sie zu dem schwarzhaarigen Gefährten. "Wir können es wohl kaum melden, wer würde Eberle schon glauben, dass er nicht wildern wollte?
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Während Eberle mit weit ausschweifenden Gesten beschrieb, wie die Wildsau sich wohl selbst erlegt hat, aß Ansgar immer wieder schmunzelnd die köstliche Fleischpastete.

Doch als seine Schale leer war, schob er sie von sich und runzelte die Stirn. "Nun - wir haben da draussen auf dem Karren ein Problem. Die Geschichte wird Eberle kein Mensch glauben. Selbst ich habe Mühe, mir das vorzustellen und ich kenne dich! Also werden wir eine anständige Lösung finden müssen."

Er zog die Pfeife hervor und zündete sie an, bevor er weiter sprach. "Zur Gräfin zu gehen, steht uns nicht zu - einfaches Bauernvolk wird die sicher nicht empfangen. Doch ihr gehört das Land." Den Umstand, dass er diese Gräfin mit Sicherheit auch nicht aufsuchen würde, nach dem, was auf dem Markt über sie geredet wurde, behielt Ansgar besser für sich. Über die Obrigkeit zu richten, stand ihm nicht zu ... über sie zu tratschen, war nicht seine Art.

"Also werden wir den Bürgermeister über Eberle's 'Fang' informieren. Soll der entscheiden, was zu tun ist." Er sah den Bayer an "Schaffst du das allein, oder soll ich besser mitkommen?" Dann blickte er zu Winella, den Rauch der Pfeife ausstossend "Und du wirst das Tier bis zu einer Antwort des Bürgermeisters aufbewahren."
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Der Schwarze war gekommen und Eberle ein wenig kleiner geworden auf seiner Bank. Ob er wohl schimpfen würde? Treuherzig blickte er Frau Winella an, als diese seine Schulter mit der Paste bestrich und sogleich der Schmerz erträglicher wurde.

Dann machte er sich über die Pastete her, und währenddessen erzählte er, wie er im Wald überlebt hatte. "A richtig wuilds Schwein, dia Wuildsau", bekräftigte er.

Er hörte den Worten des Schwarzen zu. Als dieser davon sprach, dass die Sau wohl der Gräfin gehörte, da wurde er blaß. Und als der Meister gar davon sprach, ER, Eberle, sollte den Bürgermeister informieren, da brauste der kleine Mann auf. "Bisch´d narrisch? Der lässt mi doch goar ned aussprecha und schupft mi glei in a Zelln".

Erregt lief er in der Hütte hin und her. "Kunnt ma´s ned der Pfarrin geba, für´d Armen? Derer tät a amoil mehra zum Essa a ned schada, diar is so dürre, gegn dia schaugt ja selbst dear Tod aus wia a Specksau".

Eberle blieb vor Ansgar stehen. "Na, Moastr, i fiarcht mi. Aloi gang i net".
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Ansgar grinste über's ganze Gesicht. "Eberle, Eberle ... du erlegst ne Wildsau mit blossen Händen, machst dir aber in die Buxen, wenn du zum Bürgermeister sollst." Dann klopfte er dem kleinen Mann auf die Schulter "Ich komme mit und die Sau den Armen zu geben ist eine sehr gute Idee."

Er hielt die Hand auf der Schultern des Bayern, drehte ihn eine halbe Drehung um sich selbst, so dass er zur Tür schaute und schob ihn an. "Und jetzt geh und räum den Karren aus, sonst machts ein anderer für dich. Und dann hast du Ärger mit mir."
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Winella musste sich hart auf die Lippen beißen, als Eberle aufrumpelte und protestierte. Einmal mehr fragte sie sich, ob Ansgar alles verstand, was dem kleinen Bayern alles so rausrutschte. Doch war sie beruhigt, dass Ansgar mit zum Bürgermeister gehen würde. Winella hoffte, dass das Wort des Küsters zu Eberles Geschichte etwas galt. Sonst konnte es übel für den kleinen Kerl ausgehen.

Als Ansgar Eberle hinaus geschickt hatte, lehnte sich Ella kurz an ihn und fing dann an zu kichern, trotz aller Sorge. "Ich frage mich, was diesem verrückten Kerl noch alles passiert", sagte sie, ehe sie sich auf Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuß stahl.

Draußen rumpelte der Eberle mit dem Holz.

"Ich war heute nachmittag bei Trine und Vitus...und all den anderen. Es ist so schön, sie hier zu haben. Sie konnten noch nicht sagen, wann sie wieder aufbrechen, ich hoffe, noch nicht so bald." Sie löste sich aus der Nähe und holte einen Krug Wein und zwei Becher. "Ihr mögt doch?", fragte sie und goß schon ein.

Die Tür krachte auf, darin stand ein puterroter, schnaufender Eberle und hievte die vielbesprochene Wildsau herein, lud sie vor der Hintertüre ab. Der Geißenpeter knurrte das Vieh an und Ella bekam große Augen: Hatte sie bisher gedacht, der Eberle hätte in Größe und Kraft übertrieben, so zeigte sich nun, dass das Schwein tatsächlich ein Mordsbrocken war.

"Do host es", brummte der Bayer nur und schickte sich wieder an, hinauszugehen. Die Tür machte er sorgsam zu.
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Eingeschüchtert trat der kleine Bayer in die Amtsstube des Bürgermeisters. Vermutlich wäre er gar nicht eingetreten, wenn der Schwarze ihm nicht einen Extra-Schubser gegeben hätte, mit den Worten, er würde draußen warten, für den Fall, dass Eberle ihn brauchte.
Verlegen drehte er nun den Hut in den Händen, während er versuchte, dem Stadtpfleger zu erklären, wieso er ein gräfliches Schwein entseelt hat.

„Woaßt, Herr Bürgermeister, hoabe die Ehre, dös Viach hot mi a´griffa, i hoff, dös woar kei Wachsau…oiso….“, ihm fiel ein, dass der werte Herr Bürgermeister vielleicht nicht verstand, was er, der Eberle sagen will. „Dös Schwein, dös wilde“, er beschrieb mit den Händen einen großen Körper und deutete dann mit der Hand einen Rüssel an, dazu grunzte er, „jagte mich umman Wagn he-rum.“ Anschaulich drehte er den Finger im Kreis. Gerannt war er, wie damals, als er das erste Mal bei der Agatha am Fenster geklopft hatte und der Vatter ihn erwischt hatte. „Und dann isch eahm…ist der Sau“, bemüht sprach er, während schon wieder Schweiß auf der Stirn erschien, „ein Trumm Baum aufs Hirni ei´gschlagn, so dass es nur noch d´Zung rausg´hängt hot und d´Augn aussidruckt.“ Und auch der Bayern hängte die Zunge raus und machte große Augen, damit der Bürgermeister auch ja verstand. „Mei, und do hoab i überlegt…ich dachte nach, Eberle, dachte ich, Eberle, musst´ das edle gräfliche Tier von seiner Qual d´erlösn. Oa Grafenschwein doarf ma ned leid´n lassa.“

Mit dem Ärmel wischte er sich die Stirne ab. „Woaßt, Herr Bürgermeister, hoabe die Ehre, jetzt fiarcht i hoid, dass die Frau Hochwohlgeboren, die Gräfin, sauer auf mi is, weil i a Eigentumssau g´metzgert hob…aber i schwör bei mei´m Leaba und dem moaner Agatha, na bei derer ned, die is scho g´storbn, also, bei mei´m Leaba: S´woar koa Absicht, i woid nur mei armseligs Leaba retta“.

Kleinlaut guckte er den Bürgermeister an. „Moanst, Herr Bürgermeister, sie werd mi doch net glei aufhänga lassa? S´wär doch ewig schad um mi?“

Weiter knetete er den Hut in seiner Hand und wartete, was man mit ihm machen würde.

Der Bürgermeister starrte ihn lange an. Gefühlte Stunden. Doch er sagte nichts.

Kleinlaut griff Eberle nach dem Hut und verabschiedete sich: "Ihr werdet´s sicha ei´verstanden sei, so moan i, woals nix soagt, i gebs den Armen, dös Viach...."

Er ging raus aus dem Büro, murmelte zum Schwarzen: "Fands net so schlimm, scheinbar, i hob g´sogt, i brings zu den Armen"

Der Eberle ging hinaus, in Richtung der langen Gasse, wo die Frau Winella wohnte. "Ka´sch eikocha, dia Sau....für die Oarma".