Was ist das hier für eine Seite?

Eberle ist eine Figur, die ich als NPC im Spiel "diekoenigreiche.com" erschaffen habe. Doch mittlerweile ist er für mich weit mehr als nur ein NPC, er hat eine eigene Geschichte, eine eigene Vergangenheit und ich fands eigentlich schade, dass die Geschichten um ihn irgendwann verschütt gehen würden.


Und so hab ich ihn hier in diesen Blog gestopft.


Ich danke dem Spieler des Ansgar ("der Schwarze) für die Genehmigung, seine Beiträge mit verwenden zu dürfen.





Montag, 18. April 2011

Als der Eberle einmal fuchsteufelswild war...

Eberle stapfte mit großen Schritten seiner kurzen Beine zu Jakobs Schenke. Ein Bier zu Mittag war ihm jetzt im Sinne – während der Fastenzeit erlaubte der Meister keine Speis´ zur Vesper. Ein fröhliches Liedchen pfeifend kam er in Sichtweite und stieß die Türe auf. Drinnen waren allerhand Burschen, die es ihm gleich taten, auch das eine oder andere Pfeifchen wurde geraucht und Stimmgemurmel lud ein zum Verweilen.

So setzte sich der kleine Bayer an einen Tisch etwa gleichaltriger Gesellen, die ihn auch lautstark begrüßten. Eberle war wohlgelitten bei den Schenkenbesuchern, da er nie einen Spaß krumm nahm und es mit ihm immer etwas zu lachen gab.„Na, Eberle, wieder einmal eine Sau totgespaßt?“, brüllte der Karli, dem Färber sein Geselle, lauthals gröhlend. Gutmütig grinste der Bayer, winkte der Schankmaid und hieß, ihm einen Krug Bier zu bringen.

Der Schankner Jakob sprach etwas zu der jungen Magd und brachte selbst den Krug an Eberles Tisch. „Und, Eberle, wie ist es Dir? Bist ja schon ein paar Tage nimmer da gewesen“. Der kleine Bayer nahm einen großen Schluck, rülpste und brummte dann: „Woaßt, hamma fui Oarbeit g´het, der Schwarze und i. Holz hob i g´macht, füars Pfarrhaus und a für die neie Werkstatt….der Moastr wui da a richtigs Feier einibaun, um a schmiada z´kenna“. Während der sprach, wanderte sein Blick nochmal umher, um zu sehen, ob die Frau Yda da wohl irgendwo wär. „Was suchst Du?“, fragte der Wirt dann schon, mit einem eigenartigen Grinsen. „Nix, wos di wos a´genga dat“, mit etwas Rot auf den rundlichen Backen hob Eberle erneut den Humpen. „Brauchst nicht gucken, das Weib aus Deiner Heimat ist nicht mehr da“. Der kleine Bayer hielt mitten in der Bewegung inne, den Mund schon zum Trinken geöffnet. Wie er da saß und nach Luft schnappte, angesichts dieser Meldung, sah er aus wie ein Karpfen, den man aufs Land geworfen hatte. „Wia? Wos? Wiaso?“, war alles, was er rausbrachte. Sie war fort? Aber warum hatte sie nicht Lebewohl gesagt? Hatte er sie verärgert?

Der Jakob grinste ihn an. „Keine Angst, Eberle, sie ist nicht weit, nur bis ins Pfarrhaus, zur Vikarin, ist sie gezogen. Jetzt schnaufte der Kleine erleichtert aus. „Sogs doch glei, Du Bazi, d´erschreck mi net so“. Da würde er doch nachher gleich mal…..

Doch der Wirt beugte sich etwas näher zu ihm hin und flüsterte ihm ins Ohr, was die Marktweiber so sprachen über ihn und die Wittib. Dem Bayern konnte man förmlich ansehen, wie der Wutpegel stieg. Er packte den Wirt an der Gurgel.„Wos macha diase Malefizwoaber? Sin dia no ganz bacha?“, brüllte er, dann ließ er Jakob hastig los. „Nix füar ungut“, murmelte er, war der kleine Schenkenwirt doch sein Freund.
In Eberles Kopf wirbelten die Gedanken. Sie tratschten über ihn und Yda? Waren die irre? Sie kannten sich, das war der Grund, warum sie gern miteinander sprachen. Immerhin musste er bei ihr nicht aufpassen, was er sagte und nicht alles übersetzen. Und sie erinnerte ihn an sein Weib. Und er musste nicht so tun, als sei er ein ganz anderer. Und überhaupt war sie grundanständig und brav und hatte so ein Geschwätz nicht verdient. Sie hatten doch gar nichts gemacht.

„Mistviacher, elendige“, grummelte er, drückte dem Jakob ein paar Heller in die Hand und verließ die Schenke, vor Wut kochend. Ging hintenrum und trat durch die Küche wieder ein. „Dua musst miar helfa“, sprach er des Jakob Weib an, „Dei Mo…Dein Mann sagt, auf dem Markt wird g´red über mi und die Witwe Yda? Sog miar, welche ist das böseste Schandmaul?“. Aufmerksam hörte er zu, als die Wirtin ihm leise ins Ohr flüsterte. „Dank diar schee“.

Als er auf den Markt kam, suchten seine Augen flink die Reihen ab. Aha, da drüben waren die Lästerinnen, wie er sah. Und – kaum hatten sie ihn erspäht, huschten sie schon wieder zusammen und tuschelten. Eberle zog sich den Gurt stramm, dann stapfte er hinüber zu den Betreffenden.
„Ja, ihr Bissgurn, iar elendigen, sottet´s eich was schama, so üaba a bravs Weib herzumziahn. Moacht ma das so in derer Stodt hier? Od´r schliaßt iahr oiden Butzhodern auf andre, weilst ihra so neidig seid, dass da oane a´ständig ihr Wittibleben leabt und ihr gamprige Drack hechelt jed Woch am ondern nach, der eich do net hom will.“ Näher trat der Eberle nun zu dem blonden Weib, Gertrud, die die Anführerin der Lästermäuler sein sollte. „Und Du Mistmatz, i schwör Dir oans – hear i no a amoi, nur A MOI no, dass Du s´Meil verreißt über dia Wittib Yda – I verdresch dir dermassa den Oarsch, nackert, hiar vor aller Au´n am Markt, dass´d die nimma auskennst. Und den Ramml, den Grispl, der dia am Hois hat, den schnupf i im vorbeigehen“, sagte er mit einem Blick auf den kleinen, dürren Gatten, welcher versuchte, der gescholtenen Frau beizustehen. „Schaug bloaß, den Oarsch zur Kirch zum bewega, gang beichten, Woab, und wehe, i sigg di und Dia anderen Bixlmadams net am Sonndi in derer Mess. Da lernst mi dann richtig kenna“. Er zog geräuschvoll den Naseninhalt hoch und spuckte der Marktfrau auf die Füße. Dann trat er ganz nah zu dem Weib und sagte betont: „EINMAL NOCH, UND DU WIRST VON MIR PERSÖNLICH LERNEN: NICHTS BLEIBT OHNE STRAFE“. Und der kleine Bayer rannte fuchsteufelswild in Richtung des Pfarrhauses, um sich zu entschuldigen, dass er die Frau Yda ins Gerede gebracht hatte.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Eberles besonderer Traum

7. Tag des Julmondes

"I woaß ned, i woaß ned”, der Eberle nahm seinen alten speckigen Hut vom Schädel und kratzte gedankenverloren, bis ein Schippel Haare wild vom Kopf abstand. Dem Schneefall der letzten Tage, der für jede Menge Arbeit für den kleinen Bayern gesorgt hatte – galt es doch, Kirchplatz und Gassen freizuschaufeln – dem Schneefall war nun Regen im milden Tauwetter gefolgt. Schwer lag der Schnee auf den Ästen der Bäume, einige waren unter der Last abgebrochen. Auch vom Dach von Kirche und Pfarrhaus lösten sich vereinzelt Lawinen, rutschten unter lautem Brausen herunter und krachten auf den Boden. Es war gefährlich in diesen Tagen zu nah an Häusern zu gehen. Nicht auszudenken, wenn so etwas einem Menschen auf den Kopf fiel oder gar durch das Dach der Kirche brach.

„I werds a`reima“, bestimmt nickt der Kerl vor sich hin. Flugs hatte er die große Leiter geholt, stellte sie ans Kirchendach und stieg mit einem langen Stiel, an welchen er ein dünnes Brett genagelt hatte, langsam die 15 Sprossen aufwärts. Oben angekommen machte er sich sogleich ans Werk, mit dem Schieber zog er dann den schweren Schnee vom Dach, Bahn um Bahn. Gut kam er voran, ab und zu brüllte er ein: „Vorsicht, da unda, da kimmt a voill Breitseitn ubremst abi“ hinunter, wenn jemand gar zu nahe kam. Bis mittag war er mit der einen Seite fertig, am Pfarrhaus ebenso und kurz entschlossen stellte er die Leiter noch einmal an – an der Rückseite der Kirche. Und wieder stieg er hinauf, räumte den Schnee ab, fröhlich vor sich hin pfeifend. Wenn er hier fertig war, dann würde er zum Berglerwirt gehen und eine warme Suppe essen. „Nur noch da voarn….“, die Zungenspitze fährt unter dem breiten Schnauzer über den Mundwinkel, als sich der kleine Bayer auf der langen Leiter streckt … und streckt…um auch den letzten Rest zu erreichen…doch plötzlich: „I verreck, so a Dreck“, schlüpfte es noch von den Lippen des erschrockenen Eberle, dann rutschte die Leiter zur Seite weg und Eberle suchte verzweifelt Halt.

Als ihn etwas ihm Rücken traf, griff er instinktiv danach und als die Leiter am Boden ankam, hing der Geselle keuchend an einem der dicken Äste des Baumes, der im Kirchgarten stand, die Beine baumelnd, das Gesicht verzerrt vor Schreck. Doch jeder Versuch, ein Bein nach oben um den Ast zu schlingen, scheiterte, im Gegenteil – ein lautes Knacksen deutete an, dass Schneelast UND Kerl zu viel für den Ast waren. Dem Gesellen stand Schweiß auf der Stirn, ganz ruhig blieb er nun hängen – und das Knacken wiederholte sich nicht. Vorsichtig lugte der Kleine auf den Hof hinunter, doch wer außer der Pfaffin würde sich im Garten bewegen, und die war bekanntlich ja nicht da. Während er noch so überlegte, kam eine Krähe über das Dach geflogen, setzte sich mitten auf den First. „Puh“, seuftze der Bayer erleichtert. „Krah“, machte die Krähe. „Hoid doan Schnabel“, brummte Eberle. Die Krähe hüpfte neugierig näher. „I warn Di“, drohte der Eberle, mangels freiem Arm, mit dem er winken konnte, machte er nur ein wildes Gesicht mit großen Augen, um das Vieh zu erschrecken, „GSCHT, GSCHT“.

Es half aber nix. Der Krähe gefiel das hängende Bürschlein sichtlich gut, wie es schien, sie legte den Kopf schief und hüpfte dann nochmal näher. Nun saß sie am Dachrand. Eberle kniff die Lippen zusammen, zog dann geräuschvoll durch die Nase hoch und versuchte, mit Spucken die Krähe zu verteilen. Es knackte wieder, und getroffen hatte er auch nicht. „Mistviah, elendigs“, schimpfte der Eberle, als sich plötzlich die Krähe erhob und mit zwei Flügelschlägen auf dem Ast mit dem Eberle niederließ.

Ein Krachen, ein Krähen und ein Brüller waren eins, als der Ast sich dem Gewicht geschlagen gab, die Krähe aufflog und der Eberle sich verzweifelt an den Ast klammerte. Zwei, dreimal schlug er an einem anderen Ast an, dann landete der Kerl auf dem Boden, immer noch fest an den Ast geklammert. Nacht wurde es um ihn.

~

Plötzlich lag er nicht mehr auf dem Boden, er saß in der Kirche. „Jemine, war dös a Rumser“, er strich sich über den Kopf, wo er eine Beule vermutete, doch da war keine. Es tat ihm auch nichts weh. Verlegen blickte er nach vorne, wo der Altar war. „I hobs vergessa, ganz eahrlich, HERR“, sagte er bedrückt, „i hätt fraga solla, ob i no amoi aufs Dacherl steiga derf“. Er schniefte. „Woaßt, i moans doch alweil ned beas, aber es geht hoid so fui schiaf“. Immer ging alles daneben. Sein Weib hatte er verloren, weil er nicht da war, als der Sturm kam. Lohn hatten sie keinen gekriegt in Wien, weil er, der Eberle, einen ganzen Ballen ins Wasser geworfen hatte. Der Schwarze hatte es ausbaden müssen, als er, der Eberle, das Maul in der Mine zu weit aufriss. Sein Weib, die Winella, hatte einen Tritt vom Maultier bekommen, weil er, der Eberle, es nicht festhalten konnte. Er nahm den Hut vom Kopf und drehte ihn nachdenklich in den Händen. „Alweil mach i ois falsch. Weißt, HERR, manchmal mein i, mi soids goar ned geam, dann würden a paar Leitl leichter leam“. Die Schnurrbartenden hingen traurig herunter. „Woaßt, wenns´d mi ned gmacht hättst, dann hätt die Agathe bestimmt an feschen Burschn gheiratet, den Sattler fuilleicht, oder den …dia hätt bestimmt an guaten Mo gfunda, und dann hätts ned draußa gstanda, als der Balken abi kam“. Tief seufzte der Eberle. „I moch alweil nuar an Ärger, glaub i….wär echt besser, i wär ned do“.

Eine leichte Brise streifte Eberle, so dass er verwundert aufblickte. Auf einmal war er nicht mehr in der Kirche, er stand in seinem alten Dorf, Adlkofen, am Gottesacker….das halbe Dorf war da…erfreut sprang er auf seine Spezln zu, doch die sahen durch ihn hindurch, sie können ihn nicht sehen. Auch, als er dem Baschtl eine Watschen gab, schien der nichts zu bemerken. „I glaub, i spinn“, murmelte der Eberle halblaut vor sich hin, „so a Bockfotzn ka doch ned so einfach ei´gsteckt werdn“. Er sah sich um, wer alles da war. Und wer wird da begraben? Klamm ward ihm ums Herz, als er zu dem einfachen Sarg trat, doch darin lag nicht Agathe, sondern Friedwilme, die Nachbarin. Ein paar Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr. „Einfach zusammengefallen, das alte Haus, war ja wurmstichig….hot koa Möglichkeit ghobt, dös Weib…ma hot ihrer ja alweil gsogt, dös is gefährlich, in derer Ruin zum wohna…wo hätts denn a neies Haus hernemma soin….“ Feucht ist es in Eberles Augen, als er sich der Nachbarin erinnert, die immer so freundlich zu ihm und dem Weib gewesen war, aber bettelarm. Es war so recht gewesen, ihr damals die eigene Kate nach Agathes Tod zu schenken. „Woar doch fui besser in Schuß…naaa, dös ko goar ned sei, dass doad is, die Friedl, dia hot doch mei Haus krieagt..."

Die Brise kehrte zurück, so, dass er gleich die Augen schließen musste. Als er sie wieder öffnete, stand er im Wald. „I woaß, wo dös is“, nickte er langsam. Das war der Wildschweinwald. Und da, guck an, kam ein Weib, an der Hand ein kleines Kind, sie haben Holz gesammelt, wie es schien. Eberle lupfte den Hut, grüßte und freute sich auf ein Schwätzchen, doch sie schienen ihn nicht zu sehen, denn fröhlich sprachen die beiden weiter, Bub kickte einen Stein ins Gebüsch, ein Brüllen, hervor brach eine Wildsau… ehe Eberle etwas tun konnte, war da wieder der Wind, doch hörte er den verzweifelten, angsterfüllten Schrei noch….“Dös war doch mei Wildsau!“, geht’s dem Eberle durch den Kopf. Das Vieh, welches er eher unkonventionell erlegt hatte, hatte seinerzeit für Wochen als Armenspeisung gereicht.

Nun stand er auf einem Markt, er erkannte Ulm. Um ein Weib mit fiesem Gesicht scharten sich einige andere Weiber, tuschelten, zischten und grinsten hämisch. „Guck diese fiesen Ratschweiber“, neben Eberle steht ein Kerl mit seiner Frau, die sich angewidert über die Weiber äußern, „hecheln alles durch, was ihnen vor die Nase kommt…es heißt, die junge Magd war nicht die einzige, die sich der Todsünde ausgeliefert hat und ins Wasser ging, ja, eine von diesen Armen…hat sich wohl mit einem Knecht eingelassen…, und diese gräßlichen Hexen haben sie in den Tod gekeift“. Eberle starrte quer über den Markt, ohne etwas wahrzunehmen. Mit den Weibern dort kannte er sich aus, hatte er doch damals sie allesamt zur Sau gemacht, als sie über ihn und Yda tratschten. Und danach hatten sie sich zusammengerissen, waren gar beichten gegangen.„O, mei, Sanne, wos host nur dua.“ Das Mädel war damals im Pfarrhaus untergekommen.

Er saß wieder, in der Kirche in Mainz, wie er bemerkte. „Woaßt, HERR, i bi miar ned ganz sicher, wos´d damit sogn wuist.“ Er blickte zum Altar und wünschte sich, er könnte den HERRN dort sehen, aber er sprach ja sonst auch mit ihm. Plötzlich krachte es über ihm, das Dach über dem Altar stürzte ein. Holz, Ziegel…Schnee…..nur einen kurzen Augenblick dauerte es, dann flimmerte es kurz vor Eberles Augen, er saß wieder in der vordersten Bank, der Altarraum unversehrt und schön wie immer.

Auf einmal liefen dem Eberle Tränen über das dicke, schnauzbärtige Gesicht. Er schniefte, wischte mit dem Ärmel über die Augen. „Moanst echt, HERR? Ja, i glaub, i hobs begriffa. Ja, i denk, scho“. Er nickte langsam. „I bi ned alweil der Trampel, der ois hi macht, ned alweil. Naaa“, er hob die beschwichtigend die Arme, „i schiab dös ned Diar in die Schuah, HERR, Du woaßt scho, warum Du dös ois so machst..“ Er zog den Kopf ein. „Wenn dös frech war, derfst miar bei Gelegenheit amoi an Schneeball ind Gosch werfa. Aber i dank Dir schee, dass mir dös zoagt host“.
~

„Auuuuu“, langsam kam der Bayer wieder zu sich und merkte, dass er im Schnee lag. Der Kopf schmerzte, seine Finger ertasteten eine fette Beule. Leise stöhnend setzte sich der kleine Kerl auf, drehte sich auf die Knie, dann stand er langsam auf – die Hand fest am Baumstamm, um sich festzuhalten.

Von oben kam eine ganz kleine Schneelawine und traf den Eberle auf der Nase. Verzagt blickte der Geselle nach oben. „Is recht“.

Samstag, 1. Mai 2010

Die Teufelsmühle

30. Ostaramond, die Walpurgisnacht...nach Einbruch der Dunkelheit

„Is dös dei Ernscht?“ Mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund horchte der kleine Bayer Eberle schon geraume Zeit dem alten Torwächter mit dem von den Blattern zernarbten Gesicht zu. Gabriel nennt der sich. Vor drei Tagen hatte Eberle den Alten kennen gelernt, beim Bier im Brandnerwirtshaus. Dessen Wirt, der Brandner, der seinen Namen von seinem flammend roten Haar hat, grinste vom Tresen herüber. Der Gabriel konnte spannende Geschichten erzählen, auch die Wiener hörten sie immer wieder gern. Der Brandner kannte sie, seit er klein war, und noch immer gruselte es ihm bei so mancher.

Dem kleinen dicken Kerl aus Bajuwarien schien es nicht anders zu gehen. Und auch die übrigen Schenkenbesucher hatten ihre Gespräche mittlerweile eingestellt und hörten dem Torwächter zu, wie er mit heiserer Stimme vom Ritter vom Drachenfelsen erzählte. „Du moanscht, er hot´s eifach abi g´worfa in den Brunna?“. Vor lauter Spannung vergaß Eberle, von seinem Bier zu trinken. Die Geschichte der Teufelsmühle war aber auch zu spannend. Gabriel hatte erzählt, der Ritter Kilian hätte die Mühle nur als Tarnung betrieben, in Wahrheit sei er ein gemeiner und heimtückischer Räuber gewesen. „Dabei hatte er ein gutes Weib, das jeden Tag zum Herrn betete, dass der Gemahl den Höllenpfad verlassen würde“, hatte der Torwächter berichtet und vielsagend den Kopf hin und her geneigt, „angefleht hat sie ihn auf Knien, dem Räubertum abzuschwören, nur so sei es noch möglich, nach dem Tod zur Sonne zu gehen“.

Schwermütig nickte Eberle mit dem dicken Schädel. „Ois nix g´holfa….“, murmelte er versonnen. Gabriel nickte und erzählte in blutrünstigen Worten, wie der Ritter sein Weib an den Haaren zum Brunnen gezogen und hinuntergestürzt hatte. Geschrien hatte sie…bis sie auf einmal verstummte und dann ein harter Aufprall zu hören war. Dem Eberle stellte es alle Haare auf vor Grusel. „Und dann“, mit seiner düsteren Stimme verstand der Torwächter es perfekt, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, „war das Maß voll. Diese letzte scheußliche Untat war das letzte Sandkorn in der Schale des Schicksals. Während der Ritter sich noch mit fiesem Grinsen vom Brunnen abwandte, erhob sich ein gewaltiger Sturm über der Mühle, der Himmel wurde pechschwarz. Ein fürchterliches Heulen war landauf, landab zu hören, als die Kreatur ohne Namen und ihre Schergen sich über der Mühle zeigten…den Sünder packten – und auch alle seine Mitstreiter, und sie unter deren grässlichem Geschrei mit in ihr Reich holten“.

Im Feuer des Kamins knackte laut ein Holzscheit in der Hitze, die Zuhörer – auch Eberle – schossen hoch. „Ja, himmisakrament, jetzert hätt i mir fast nei´brunzt vor lauter Schreck“, mit einem großen Leinentuch, demselben, das schon vor einigen Tagen das dralle Weib im Hafen bewundert hatte, trocknete sich der Bayer die schweißnasse Stirn. „Und jetzt? Wiaso hot der Sattlerbursch zu miar gsogt, er dät da niemals nich auf´d Nacht vorbeimarschiera…eigentlich auch bei Doag net? Isch doch furt, der Saukrüppel, der elendige, mit seiner Drecksbagasch“.
Der Torwächter starrte schweigsam in seinen Krug und irgendwann ging dem Eberle ein Lichtlein auf. „Hee, Brandner, bring´sch döm Gabriel a´ a Hoibe, und miar auch glei, wennsch´d scho dabei bisch´t“. Geduldig warteten die Zuhörer, bis das Bier auf dem Tisch stand und der Gabriel einen guten Schluck getan hatte. „Freilich, der arge Ritter war nun fort, doch das Weib im Brunnen, tot war sie, doch keiner wusste davon. Ihre gequälte Seele fand keine Ruhe. Bei Nacht, so hieß es bald, würde schauerliches vorgehen in der Mühle – also wollte niemand dort leben. Dornen überwucherten Haus und Hof. Die Menschen erzählten sich, die Kreatur selbst würde dort hausen, und inmittig der tiefsten Nacht aus dem Höllenloch darunter heraufkriechen, um die Mühlräder in Gang zu setzen.“ Der Kerl neben Eberle nickte eifrig. „Gräuliches ging dort vor, zur Mitternacht, mein Urgroßvatter, der HERR möge sich seiner erbarmen, hat uns Kindern früher schon davon erzählt, und der hatte es von seinem Vatter. Keine lebendige Seele wollte am Hof auch nur vorbei laufen“.

Die Tür ging auf, ein weiterer Gast kam herein.

„Jetzert verzähl scho, wia´s aus´ganga is, loss mi doch ned dastanda wia an Gmoidsdepp“, Eberle wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschichtenerzähler zu. „Du glaub´sch doch ned, dass is jetztert auf´s Lager kriacha ka, da ka ich ja die halbert Nacht net schloffa“. Der Gabriel schmunzelte kurz, es schien ihm Freude zu machen, wie der kleine Kerl sich ereiferte. „Also gut, dann höre. Die Jahre gingen ins Land, die Mühle hieß nur die „Teufelsmühle“ bei den Wienern. Alle mieden den Ort. Da kam einmal ein junger Ritter mit seinem Knappen vorbei. Ein Unwetter hatte sich schon angekündigt, und nun brach es über sie herein, so dass ein Weiterreiten unmöglich war. Die beiden suchten Schutz für sich und die Rösser. Kaum waren sie im Haus, da war es Mitternacht und eine geisterhafte Gestalt in Ritterrüstung kam mit einem Sack auf der Schulter und lief durch die Mühle. Es war…“, eine Pause machte der Erzähler und Eberle ergänzte atemlos: „…der Teufelsritter. Ja, i verreck, i wär ja g´storbm vor lauter Spuntes. Mei, red, Bursch, isses guat ausganga?“.

Kreidebleich war der kleine Bayer im Gesicht, doch schweißgebadet. Der alte Torwächter fuhr fort: „Der junge Ritter Gunther von Schwarzenau fürchtete sich nicht, sondern er rief laut: „Beim HERRN und seinen Propheten – ich beschwöre Dich, sag mir, wie ich Dich erlösen kann, so wahr mir der Schöpfer helfe: Ich werde es tun“. Erneut befeuchtete Gabriel seine Kehle. „Da wurde es mit einmal grabesstill, die Mühlräder blieben stehen und die geisterhafte Gestalt verschwand. Statt dessen erklang die Stimme eines Weibes, aus der Ferne: „Du edler Ritter, Deine Gottesfurcht und Güte sind Deine Stärke, Du kannst mich erlösen. Mein sündiger Gemahl stürzte mich dereinst in den Brunnen, meine Seele kann nicht ruhen, solange ich nicht in Frieden bestattet wurde. Wenn Du mich von dieser Qual erlösest, so wird der HERR auch ihm verzeihen, ihm, der schon so lange bereut, was er getan. Es wird Dein Schaden nicht sein.“

Vor lauter Spannung hätte Eberle am liebsten in seinen Hut gebissen. Doch er bezwang sich – guter Filz war teuer und sein Hut sein liebstes Stück. „Herrgottsakrament, Gabriel, so red doch“, drängte er. „Gleich nach Morgengrauen machten der Ritter und sein Knappe sich auf die Suche nach dem Brunnen, fanden ihn. Der Ritter hieß den Knappen, ihm mit dem Seil hinab zu lassen in das dunkle Loch, Elle um Elle. Dunkel war es dort, der Geruch nach Fäulnis und Verwesung war ekelerregend. Fast hätte der Ritter wieder umgedreht“. Wieder machte der Torwächter eine Pause, wofür ihn Eberle hätte erwürgen können. Wild guckte er ihn an und schnaufte, puterrot im Gesicht. Scheinbar bot er einen angsteinflößenden Anblick, denn Gabriel beeilte sich nun. „Tatsächlich fand er den Körper und hievte ihn mit der Hilfe des Knappen aus dem Brunnen. Sie war tot, doch das Fleisch fiel noch nicht von den Knochen, auf unerklärliche Weise, war sie doch seit vielen Lenzen hier im Brunnen gelegen. Ein Pfarrer wurde geholt, der das arme Weib ordentlich bestattete, auf dem Gottesacker. Von da an war Ruhe in der Teufelsmühle – nie wieder wurden die Mühlräder gehört, nie wieder erklang das Weinen des Weibes aus dem Brunnen. Doch dem Ritter von Schwarzenau blieb seiner Lebtag lang das Glück hold – alles was er anpackte, gelang, und als er in hohem Alter schließlich verstarb, da meinten seine Leute, sie hätten an seinem Bett für einen Moment zwei Gestalten gesehen – die eines Weibes und eines Ritters, die seine Seele zur Sonne, vor den HERRN, führten“.

Ungeniert nahm Eberle das große Tuch und schneuzte kräftig hinein, so gerührt war er. Er mochte Geschichten, die gut ausgingen. „Herrje, Gabriel, was füar a Gschicht.“ Anerkennend klopfte er dem Torwächter auf die Schulter. Er nahm sich fest vor, sie bei nächster Gelegenheit dem Schwarzen und seinem Weib zu erzählen.

Doch als der gute, kleine Kerl kurz vor Mitternacht durch die Gassen Wiens schwankte, um zu der kleinen Herberge zurückzukehren, die derzeit sein Heim war, blickte er sich mehr als einmal um. Plötzlich lief ihm eine Katze zwischen die Füße, er trat ihr auf den Schwanz, sie kreischte auf. „Herrgott, steah miar bei, dös Mühlenweib“….und so schnell ihn seine kleinen dicken Beine trugen, rannte er zur Herberge, hastete die Treppe hinauf und verrammelte die Kammertür hinter sich.

Wilde Träume suchten ihn heim in dieser Nacht.

Freitag, 26. März 2010

Petri Heil!

12. Nebelung

Bewaffnet mit Schnur, Haken und einem komischen Ding aus geflochtenen Weiden, ähnlich wie ein Korb, stapfte Eberle in Richtung des kleinen Baches, der von der Donau abzweigte und in Richtung der Stadt floss…nicht allzu lang trennte sich dieser Nebenarm vom Hauptarm , doch in diesem gab es zu Hauf Fisch, so hatte sein Freund, der Schenkenwirt Jakob, ihm verraten. Gleich nachdem er Winella zugesagt hatte, „an Haufa Fisch“ zu besorgen, war er in seine Lieblingsschenke eingetreten und hatte sich den Jakob geschnappt. „Musst mia helfa, Jackl“, flüsterte er und erklärte ihm das Problem.
Wie hätte er denn Frau Winella auch die Bitte abschlagen können? Immerhin hatten sie und der Herr Ansgar sich um ihn gekümmert und ihm sogar hier eine neue Heimat gegeben. Wie hätte er da sagen sollen, dass er keinen blassen Schimmer davon hatte, wie man Fische aus dem Wasser bekam.
Aber dafür gabs den Jackl, der ihm auch die Ausrüstung in die Hand drückte.

Er war am Bach angekommen. Auch hier war das Wasser trübe, wie die Donau auch, die Regenfälle waren dafür verantwortlich. „A wurscht“, murmelte Eberle, „sehn solln die eh nix, nur boaßa“.
Wie Jakob gesagt hatte, hing er die Schnüre samt den Drahthaken in den Bach. „Ah, Dippel, damischer“, schimpfte er, als er merkte, dass er was vergessen hatte. Er zog also die Haken wieder heraus, sah sich um und stochert dann mit einem Stock im Erdreich herum. Eine Weile brauchte es, dann bückte er sich…immer wieder, bis er eine stattliche Anzahl an Würmern beisammen hatte. Doch wohin damit……einen Moment lang war er versucht, sie einfach in die Hosentasche zu stecken…“naaa, so blead bin i doch ned“, missbilligend schnalzte Eberle mit der Zunge. Kurzerhand nahm er den Hut ab und legte sie da hinein. Einen nahm er, nen richtig Dicken, der sich ziemlich wehrte, um nicht aufgespießt zu werden. „Pech ghabt, Du kimmerst di jetzert drum, dass wia an ordentlich dicken Fisch kriagn.“
Dicker Wurm, dicker Fisch…das leuchtete dem Eberle nämlich ein. Er war ja kein Dummkopf.

Die Zungenspitze kreiste im selben Takt um seine Lippen herum, wie der Wurm sich kringelte, doch nach einer Zeit hatte er ihn befestigt. Er warf die Schnur samt Haken ins Wasser und band ihn an einem Ast fest, der etwas über den Bachlauf ragte. Arg musste er sich strecken, der Kleine, doch es gelang. Nach und nach wurden so vier Schnüre in den Bach geworfen und an verschiedenen Bäumen befestigt…die sanfte Strömung zog sie dann in die Mitte des Wassers. Begeistert von seiner Leistung fieberte der Eberle dem ersten Rucken entgegen.

Nach einer Weile war sein Eifer etwas abgekühlt. Eberle langweilte sich. Er konnte nicht mal sehen, ob sich ein Fischlein überhaupt interessierte. Ob er mal guckte? Vielleicht hatten sich die Würmer schon befreit? Vorsichtig zog er nach und nach die Haken heraus, doch die Würmer waren noch dran. Sie sahen ein bisschen seltsam aus. „Ach, dös kenna dia Fisch eh ned seang in derer Drecksbriah“, murmelte er und ließ sie wieder eintauchen.

Eine kleine Untiefe im Bach erweckte seine Neugierde. Früher, als er noch ein kleiner Bub gewesen war, da hatte er mit seinem Spezl, dem Wiegand, kleine Dämme gebaut. Ein breites Grinsen erschien auf Eberles Gesicht. Er blickte sich um, doch niemand war zu sehen. Die nächste Zeit verbrachte er damit, Steine zu rollen, zu einem Damm aufzuschichten, von Stöcken gestützt, so dass neben dem Bachlauf nun ein kleiner Teich entstanden war. Seine Beine waren zwar eiskalt, denn von Zeit zu Zeit war er ins Wasser getreten, aber der Eberle glücklich. Er war schon früher der beste Dammbauer unter den Buben gewesen. „Glernet is hald glernet“, brummte er zufrieden.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass eine der Schnüre sich heftig bewegte. „Je“, murmelte er, „da muss i glei….“ Er rannte hin und zog fest an der Schnur und war begeistert, als er Widerstand spürte. Ein Fisch. EIN FISCH. Der Eberle war ganz narrisch vor lauter Glück. Schon hielt er an kurzer Schnur einen wild um sich tobenden Fisch. „Und jetzert?“, grübelte er….einen Stock zum auf den Fischschädel hauen hatte er nicht, an die Steine kam er nicht heran. „Ach, is doch wurscht“, kurzerhand schlug er den Fisch an den Baum und schon war die Sache erledigt. Beim Versuch, den Fang vom Haken zu lösen, stach er sich einige Male in den Finger.

Ein Fisch. Frau Winella würde stolz auf ihn sein. Allerdings hatte sie von mehreren gesprochen….na, das würde er auch schaffen.

Zur Mittagszeit, Eberle konnte immer sagen, wenn Mittag war, denn da knurrte pünktlich sein Bauch, hatte er immerhin schon fünf Fische, die tatsächlich auch mehr als zwei Hände lang waren. Er war entzückt. Das war doch gar nicht so schwer, dieses angeln. „Odr i bi a toller Hecht“, Eberle kicherte laut über sein Wortspiel. Aus der Tasche zog er ein Stück Brot und ein Stück Trockenfleisch, welches ihm das Weib seines Meisters mitgegeben hatte. Mittlerweile lugten ein paar Sonnenstrahlen durch den Hochnebel und Eberle erkannte, wie er da so am Ufer hockte und kaute, dass der Bach sich etwas geklärt hatte. Er sah einen ganzen Schwarm großer Forellen. „Eich kriag i a no“, Eberle grinste.

Eigentlich seltsam, dass niemand sich hierher verirrte. Ob das am schlechten Wetter lag?
Eine Bewegung ließ den Eberle innehalten beim Kauen. Da kam ein junges Weib, beinah noch ein Mädel, so jung, in Richtung der Stelle, wo er seine Angeln hatte. „Blitzsaubers Dearndl“, murmelte er anerkennend. Zarte Gestalt, braunes Haar, ordentlich aufgesteckt. Dass die Kleidung ärmlich ist, fiel ihm, den Kerl, nicht auf. „Griaß Di“, seine tiefe Stimme schallte ordentlich hier draußen in der freien Natur und er nahm sich etwas zurück, wollte er das Mädel doch nicht verängstigen, „hab koa Furcht, i dua dir nix. Mach´st Mittagsrast?“ Er hätte ja gern den Hut gezogen, soviel Anstand hat auch der Eberle, doch der nämliche Hut lag gefüllt mit Würmern am Bachufer. Also nickte er nur freundlich. Beim Näherkommen entdeckte er Sommersprossen in dem Gesicht, das trieb ihm ein Lächeln ins Gesicht, hat doch seine Agatha, der Herr habe sie selig, auch das ganze Gesicht voll gehabt. „Roßmuckn“, Eberle grinste.
Der kleine dicke Bayer Eberle wandte sich wieder dem Tagwerk zu. Er stand verzagt am Ufer des kleinen Baches.

Zehn Fische hatte er. Er war ja überrascht, dass er überhaupt was gefangen hatte. Aber zehn Fische waren sicher zu wenig. Brummend wippte der Eberle in seinen Holzschuhen vor und zurück und überlegte. Er wollte Frau Winella doch nicht enttäuschen.
Vielleicht, wenn er den Bach auf der einen Seite mit Holz, Ästen, Steinen und Stämmen versperrte und von der anderen Seite mit diesem komischen Korb durchging, vielleicht verirrte sich dann der eine oder andere da rein. Das erschien ihm als guter Plan, er kratzte sich mehrmals am Hinterkopf, doch ihm fiel nichts ein, was dagegen sprach, im Gegenteil. Je mehr er überlegte, desto genialer erschien es ihm. Er war halt doch ein ganzer Kerl…und die Fische…eben nur Fische. "Schwoabafisch gar". Freiwillig würden die ihr Leben nicht rausrücken, waren doch die Schwaben fürs sparen bekannt.

Er holte diesen komischen Korb. Oben war er breit, nach unten wurde er immer schmaler. Es dauerte eine Weile, bis er den Bach so abgesperrt hatte, dass oben noch das Wasser drüberlaufen konnte, aber keine Fische mehr durchkamen. Dann stieg er vorsichtig in den Bach….und gleich wieder raus, denn schon wieder zappelte an der Baumschnur etwas.
Als auch dieser Fang herausgeholt und getötet worden war, stieg er wieder ein. „Saxendi, is des eisig“, Eberle biss so fest die Kiefer aufeinander, dass ihm die Kinnlade schon weh tat. Vorsichtig, bis zu den Knien im Wasser nun, den Korb vor sich herschiebend, trieb er den Forellenschwarm vor ihm her, Richtung selbstgebauter Absperrung.

Es ging alles blitzschnell. Von der linken Seite kam ein großer Schatten angezischt, der Schwarm rechts an ihm vorbei, zwei der Forellen tatsächlich in den Korb, doch noch nicht ganz darin, war einer der beiden schon im Maul des großen Schattens. Vor Schreck zog Eberle den Korb hoch, Öffnung nach oben, darin zwei Fische und ein halber, der im anderen steckte und das wohl nicht wollte, dieser Kampf brachte Eberle zum Schwanken. Er knickte um, klatschte rückwärtig in den Bach, den Korb hoch erhoben.

Eberle blieb die Luft weg angesichts der Kälte, er schoss wieder hoch und sprang samt Korb ans Ufer. Keuchend blieb er liegen, nach Atem ringend. Er sah, wie der große Schatten, ein Hecht, wie er nun sah, mit dem Beutefisch im Maul herum hüpfte – bedenklich näher zum Bach wandernd. „Oh, na, dös koanst vergessa“, Eberle blickte sich um, fand nix, nahm kurzerhand den Holzschuh vom Fuße und ließ diesen auf den Fischkopf niedersausen. „A Ruah is“, stieß er heraus, und tatsächlich – der Fisch rührte sich nicht mehr. Vorsichtig bog er den Kiefer des Raubfisches auseinander und holte die Forelle raus. „Fast no wia neu“, Eberle grinste. Auch die zweite Forelle aus dem Korb bekam einen letzten Denkzettel mit dem Holzschuh.

Dann wurde ihm klar, dass es ihn fror. Kein Wunder, war er ja auch patschnass. Das Abenteuer Angeln würde er für heute aufgeben müssen. Traurig blickte er auf die Ausbeute, er hatte gehofft, wenigstens zwanzig Fische mitzubringen, er hatte sich doch so schön ausgemalt, wie Frau Winella ihn loben würde. Er band die Angelschnüre los und rollte sie zusammen, nun schon feste mit den Zähnen klappernd. Alle Fische warf er in den Korb und ging dann noch zum Ufer, um seinen Hut zu holen. Da sah er es. Offenbar durch sein Missgeschick waren noch fünf Forellen über den kleinen Staudamm, denn er gebaut hatte, gespült worden und saßen nun in diesem kleinen Teich fest. Mit feistem Grinsen zog er den Holzschuh wieder aus und holte auch diese Beutefische in den Korb. Dann packte er hastig seinen Hut, setzte ihn auf und hastete in Richtung des Hauses von Frau Winella.

Dass der Hut nicht leer war, hatte er vergessen.

Schnatternd vor Kälte gelangte ein ziemlich blaugefrorener Eberle am Haus in der langen Gasse an, wo das Haus des Weibes vom Meister stand. Er klopfte. Hastig nahm er noch den Hut ab, wohlerzogen, wie er war.
Es klopfte und Ella ging zur Türe, um zu öffnen.

Draußen stand ein schlotternder Eberle, mit dem Hut in der Hand, blauen Lippen und einem Haufen Würmer auf dem Kopf. Ella starrte ihn nur an. Hatte nicht die Mutter Ammenmärchen von einem Weib erzählt, welches Schlangen auf dem Kopf hatte statt Haare. Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken abzustreifen. Langsam lösten sich zwei, drei der Würmer vom Haupte des kleinen Bayern und klatschten auf den Boden. Der Geißenpeter erhob sich, tapste dorthin, schnüffelte und öffnete dann sein großes Maul.

„Wäh“, Ella schüttelte sich. Dann erst packte sie den Eberle am Arm, fühlte, dass er eiskalt gefroren war und zog ihn mit einem Aufschrei in die Hütte. „Eberle, bist Du verrückt? Wieso rennst Du draußen rum, wenn Du nass bist.“ Sie packte ihn vor den Herd, holte ihm eine Decke und hing sie ihm um. Ein paar weitere Scheite wanderten in das Feuer, bis es rot glühte. Die Handvoll Würmer hatte sie entfernt – sie lagen nun vor der Türe und der Peter saß mit träumerischem Blick davor.

Ella drückte dem immer noch mit den Zähnen klappernden Eberle eine Schale heiße Suppe in die Finger. Dann fiel ihr Blick auf den Korb. „DAS HAST ALLES DU GEFANGEN?“ Ella war wirklich beeindruckt. Es waren mehr als ein Dutzend Forellen….und ein großer Hecht. Letzterer rang Ella wirklich großen Respekt ab, die Fangzähne eines solchen waren nicht ohne. Sie hatte Eberle wirklich unterschätzt.

Samstag, 20. März 2010

Wie der kleine Bayer Eberle mal saumäßiges Glück hatte....

Der kleine dicke Bayer Eberle zog fröhlich den alten Zossen vom Holzmacher am Zügel hinter sich her. Der Schwarze hatte ihn zum Holzhacken geschickt, ihm eine Axt in die Hand gedrückt und das Weib von ihm noch einen Korb mit Brotzeit dazu. „I werd gucka, no oan oder zwoa Hasn mit huim z´bringa“, hatte er grinsend versprochen.

Der Torwächter gröhlte, als das nette Paar vorbei kam, verkniff sich aber eine Bemerkung.

Bald schon war der Eberle im Wald und die nächste Weile war er fleißig beim Holz hacken. Eine Buche lag vor ihm am Boden und war bereits in dicke Scheiben zersägt worden. Um es aufladen zu können, spaltete er es nun mit der Axt. „Wia´r d´r Vogel schoaßt, so d´r Baum roaßt“, summte er vor sich hin, so hatte er es von seinem Vater gelernt. Er kam gut voran, trotz der Kälte stand Schweiß auf seiner puterroten Stirne.

So war es erst kurz vor Mittag, wie er aus dem Stand der Sonne, die zumindest als helle Scheibe durch den grauen Himmel zu erkennen war, ablesen konnte, als der halbe Wagen schon beladen war und er sich daran machte, die nächste Buche zu keilen. Tief trieb er den Keil in die Kerbe, doch die Buche schien zäh und so beschloss er, zunächst Brotzeit zu machen. Er legte die Axt auf den Boden und ging zum Wagen.
Eberle bediente sich ausgiebig aus dem Korb, den Frau Winella ihm mitgegeben hatte. Ein großes Stück Geräuchertes fand sich ebenso darin wie Brot und ein Krug Bier, den er abschließend die durstige Kehle hinabstürzte. Während er einige Schritte abseits ging, um sich im Gebüsch zu erleichtern, zollte ein gewaltiger Rülpser Tribut an die große Menge des süffigen Getränkes. In dem ansonsten stillen Wald hallte dieser wie Donner und Eberle kicherte vor sich hin.

So bemerkte er nicht, dass in einiger Entfernung aus einem Gebüsch zwei Ohren hochgereckt worden waren, eine rüsselartige Schnauze mit schwarzgrauem borstigem Fell reckte sich schnüffelnd in die Höhe. Eberle knöpfte den Hosenlatz wieder zu und holte sich aus dem Korb noch einen Apfel, in den er herzhaft hinein biss. „Jetzert no den Baum ummacha und dann guck i no nach dena Hasn“, brummte er gutmütig. Sein Blick fiel auf den Butzen, wo ihn ein dicker Wurm mit wedelndem Hinterteil begegnete. „Bah“, er spuckte den Bissen aus, den er gerade im Mund hatte und schleuderte den Apfelbutzen in die Büsche. Ein Grunzen war daraus zu hören, ungläubig drehte sich der Eberle um und sah zu seinem Entsetzen eine fette Wildsau mit hochgestellten Ohren und Schwanz auf ihn zu rennen, Apfelkrümel hingen auf dem haarigen Schädel. „Oh-oh, dia is gräsig“, fuhr es dem kleinen Bayern durch den Kopf, während er versuchte, sich irgendwo in Sicherheit zu bringen.

Er rannte hinter den Wagen, doch irgendwie war das Vieh gut zu Fuß, denn schnell war es heran, mit drohendem Geräusch rannte es um den Wagen herum, Eberle tat es ihm gleich, hastig überlegend, was er tun könnte. Doch mit einer ausgewachsenen Wildsau nahm man es nicht so einfach auf, und Waffen hatte er eh keine, sein kleines Jagdmesser hatte er zum Brotzeitmachen herausgenommen und dann in den Stamm des Baumes gerammt.

Drei, viermal rannten sie um den Wagen herum, Sau und Kerl, dann beschloss Eberle, es ginge so nicht weiter. Bis zum Baum war es nicht weit. Mutig beschloss der kleine, nun sehr kurzatmige Kerl, dorthin zu rennen und sich zumindest das Messer zu holen. Er rannte los und hörte hinter sich schon die Hufe des Schwarzkittels. Nur noch ein paar Schritte….

…mit weit ausgebreiteten Armen fiel er über die auf dem Boden liegende Axt und knallte mit der Schulter unterhalb der Kerbe der Buche…ein Krachen, dann brach der Baum, der kleine Mann krümmte sich vor Schmerz und drehte sich unwillkürlich jaulend auf die Seite…so dass ihn der niedersausende Baum nicht treffen konnte. Hinter ihm war Ruhe eingekehrt. Jeden Augenblick mit dem Angriff des Wildschweins rechnend hob er den Kopf….da sah er, dass der gefällte Baum die Wildsau wohl am breiten Schädel getroffen hatte…sie röchelte nur noch, betäubt. Eberle erhob sich taumelnd, griff nach dem Jagdmesser und stach dem Schwein an die richtige Stelle der Kehle. Zuckend blutete das Tier aus während der kleine Kerl sich mit der unverletzten Hand den Schädel kratzte. „Ja, i verreck“, murmelte er.

Eine Weile stand Eberle da und schnaufte. Und überlegte. Als ihm einfiel, wie Frau Winella wohl gucken würde, wenn er mit so einem Braten nach Hause käme, überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. Schon damals, beim Fischen, hatte sie ihn gelobt….und mit solch einem Fleischberg wenn er kam…. "da bin i ihra Held".

Kurze Zeit später hatte er das Trumm Wildsau an den Hinterläufen zusammengebunden und an einen starken Ast gebunden, wo es weiter ausblutete. Mit seinem Messer öffnete er die Bauchdecke und holte die Innereien heraus. Was verwertbar war, stopfte er nach einiger Zeit wieder hinein, das Fell würde Frau Winella der Sau sicher selbst abziehen. Oder der Schwarze. Mann, der würde staunen.

Während er mit hochgekrempelten Ärmeln Leber und Nieren des Tieres wieder tief in den Wanst steckte, fiel ihm plötzlich etwas ein, was ihn erschreckt inne halten ließ. „Himmelsakramentsaxendi“, schnaufte er, „wem g´hert dös depperte Viach?“ Schon von Landshut her wusste er, dass die hohen Herren nicht erfreut waren, wenn man auf ihren Ländereien wilderte. Der Schusterjockel hatte einmal Prügel gekriegt von den Bediensteten des Herren von Branden, als er dessen Prachthirsch erlegt hatte. „Aber i hob´s jo ned mit Absicht gmacht“, überlegte er, „dös is doch dann koa wildern, denk i. Dia Sau, dia damische, hot sie ja quasi sölbst g´richt“. Ob die Wächter der Burg das aber auch so sahen? Wenn der Herr der Burg ihn foltern ließ? Wo war die Burg eigentlich? Wem gehörte das Land hier überhaupt?

Nun hatte der kleine Mann ordentlich Schiß. Verstohlen blickte er sich um, ob ihn wohl einer beobachtete, wie er bis über die Ellbogen in der Sau rumwühlte. Jedes Knacken im Wald trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. „Wos soll i bloaß macha?“. Rumliegen lassen ging nicht, da kam man ihm gleich drauf. Vergraben? „I bi doch ned blead“. Schließlich beschloss er, es auf den Wagen zu packen und mit Holz zugedeckt nach Ulm zu schaffen. Der Schwarze würde vielleicht Rat wissen. Oder sein Weib. „Od´r gar beide“.

Er schaffte die Sau auf den Wagen. Beugte Holz darauf, doch es reichte nicht. Aufmerksam auf Beobachter lauschend spaltete er Holz von der zweiten Buche wie ein Besessener, als die Dämmerung herauf kroch, war der Wagen voll. Hurtig spannte er den Zossen vor den Wagen, dann rannte er, das Pferd hinter sich herziehend, zum Stadttor.

Da stand freilich wieder sein Freund, der Torwächter. „Na, bisch fleissig g´wä?“ Mit mühsamen Grinsen antwortete Eberle: „Ja, freili, ab´r dös Mistviach hot mi ganz nett g´fuxt“. Da kam doch der Torwächter tatsächlich heran. „Soooo?“ Und blickte neugierig auf den Wagen. „Sog amoi, dei Weiberts“, fieberhaft suchte Eberle nach einer Ablenkung, damit der Schwabe nicht länger als nötig in den Wagen blickte und die Sau sehen würde, „dia hot unlängscht bei moaner Frau Winella nach Kreitern g´frogt, host etwa a Broblem? Sia hot allweil so auf“, er deutete auf den Unterleib, „ zoagt und ihran Grind g´schüttelt. Wui Dei Glamps nimmer reacht?“. Erstaunt sah er, wie der Schwabe rot wurde und ihn unwirsch weiter winkte. Doch er hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Hastig zog er den Karren in Richtung der kleinen Gasse, wo Winella und auch Ansgar wohnten. Wild klopfte er, dort angekommen, an Winellas Türe.

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Winella richtete das Nachtmahl für Ansgar, als es klopfte. Den Nachmittag hatte sie bei Trine, Vitus und den Kindern verbracht. Sie mochte die Geschwister Ansgars sehr. Heute hatte Vitus hin und wieder mit seltsamen Blick zu ihr gesehen, das konnte sie sich nicht erklären.

Sie trocknete sich die Hände an der Schürze und ging zur Türe. Ein aufgebrachter Eberle stand draußen und erklärte in atemberaubender Geschwindigkeit, mit vielen Gesten und Geräuschen, etwas von Holz und Schwein.

"Eberle, beruhig Dich erstmal und komm rein", sie warf einen Blick zum Wagen, doch der kleine Bayer hatte das Ross angebunden, so dass es nicht fort konnte. Kurzerhand packte sie ihn am Arm, als der neugierige Nachbar näher kam. "Rein da".
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Das Weib vom Meister schubste ihn in die Hütte rein.

Drinnen erzählte er, was passiert war. "I hob a Schwein am Karra oba, dös is verreckt im Wald draußa....so ähnlich halt". Grob schilderte er, wie das Wildschwein ihn angegriffen hatte, und wie er es nach wildem Kampf besiegt hatte. Den Blatschari am Grind oba werds scho übersenga, die Frau Winella, dachte er.

Wehleidig zeigte er dann, wo das Vieh ihm in die Schulter gerammt hatte. "Duat fei bluatig weah, Moasterin, host mer ned was Guats draufzumschmiara?"

Dann fiel ihm das Dilemma wieder ein, in seiner vollen Pracht. "Mei, Frau Winella, wos soll mer dua? Miar hom a klauts Sauviach am Oarsch und morga fangat zu allem Übel noch ds´fasten o".
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Bis weit über das Nachtmahl hinaus hatte er mit dem Bruder in der Schankstube vom Jakob gesessen und geredet. Der ein oder andere Becher Bier war dabei durch ihre Kehlen geflossen und am Morgen stand Ansgar mit dickem Schädel aus den Laken.

Der Entschluss, den Zuber dort zu lassen, wo er war und Eberle statt dessen zum Holz holen zu schicken war noch vor der Morgensuppe gefasst worden. Ansgar selbst nahm den Brummschädel zum Anlass seine Pläne zu ändern. Anstatt der anstrengenden und lauten Arbeit am Hobel - er hatte eine Bestellung für einen Händler angenommen, der mehrere Klafter gehobeltes Holz benötigte - ging er nach einem Schmied oder wenigstens Steinhauer für das Taufbecken suchen. So war er den ganzen Tag an der eisigen aber frischen Luft und auch wenn er nichts erreicht hatte, war der Kopf am Abend wieder klar.

Nun kehrte auch der Hunger zurück, der ihm den ganzen Tag ferngeblieben war und Ansgar eilte sich, zum Weib zu gehen. Ein kurzes Klopfen, schon stand er im Raum und hörte wie Eberle sprach.

".... Sauviach am Oarsch und morga fangat zu allem Übel noch ds´fasten o".

"Eine Sau hast du ? Die kann man doch einlegen oder ?" Der Küster sah Winella fragend an, während er zu ihr ging und sie auf die Stirn küsste. Leiser sagte er "Ich habe Hunger, wann gibts Essen ?"
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Eine wilde Geschichte wurde ihr von Eberle da aufgetischt. Hin und wieder schüttelte sie den Kopf. Dann beugte sie sich vor, um nach seiner Schulter zu sehen. Vorsichtig zog Winella das Hemd des kleinen Kerls runter und drückte sanft mit den Fingern. Blau verfärbt war die Schulter , doch nicht gebrochen; aufgeschürft, kleine Holzsplitter steckten darin. Sie zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts.

"Freilich, setz Dich nur, ich hab Dir was, das helfen wird".

Während sie zur Truhe ging, öffnete sich die Türe und Ansgar trat herein, die Bemerkung Eberles erwidernd. Kurz küsste er sie, fragte nach dem Nachtmahl.

"Es ist fertig, Ansgar; wenn Ihr mögt, es ist warmes Wasser bereit, wenn Ihr Euch zuvor waschen wollt. Ich guck nur kurz nach dem Helden hier, der eine wilde Bestie erlegt hat". Sie nahm die Paste aus der Truhe und stellte sie auf den Tisch. Sanft rieb sie die farbenfroh schillernde Wunde mit der Paste ein und legte Linnen darauf. "So", murmelte sie, wischte die Hände an der Schürze ab und ging zur Feuerstelle, um für die Kerle und sich knusprige Fleischpastete zu holen.

Als sie alle saßen und das Tischgebet gesprochen hatten, bat Ella Eberle noch einmal die Geschichte zu erzählen und schmunzelte in den Teller hinein, um wieviel gefährlicher und wilder der Beutefeldzug nun geworden war. Nichtsdestrotrotz war es eine Leistung, einen aufgebrachten Schwarzkittel zu erlegen, und dafür gebührte ihm Respekt, auch wenn es vermutlich etwas anders zugegangen war, als er beschrieb.

"Wir haben also da draußen auf dem Wagen ein Wildschwein, welches sich unter seltsamen Umständen dort zum Sterben niedergelegt hat. Was tun wir, Ansgar?" Fragend blickte sie zu dem schwarzhaarigen Gefährten. "Wir können es wohl kaum melden, wer würde Eberle schon glauben, dass er nicht wildern wollte?
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Während Eberle mit weit ausschweifenden Gesten beschrieb, wie die Wildsau sich wohl selbst erlegt hat, aß Ansgar immer wieder schmunzelnd die köstliche Fleischpastete.

Doch als seine Schale leer war, schob er sie von sich und runzelte die Stirn. "Nun - wir haben da draussen auf dem Karren ein Problem. Die Geschichte wird Eberle kein Mensch glauben. Selbst ich habe Mühe, mir das vorzustellen und ich kenne dich! Also werden wir eine anständige Lösung finden müssen."

Er zog die Pfeife hervor und zündete sie an, bevor er weiter sprach. "Zur Gräfin zu gehen, steht uns nicht zu - einfaches Bauernvolk wird die sicher nicht empfangen. Doch ihr gehört das Land." Den Umstand, dass er diese Gräfin mit Sicherheit auch nicht aufsuchen würde, nach dem, was auf dem Markt über sie geredet wurde, behielt Ansgar besser für sich. Über die Obrigkeit zu richten, stand ihm nicht zu ... über sie zu tratschen, war nicht seine Art.

"Also werden wir den Bürgermeister über Eberle's 'Fang' informieren. Soll der entscheiden, was zu tun ist." Er sah den Bayer an "Schaffst du das allein, oder soll ich besser mitkommen?" Dann blickte er zu Winella, den Rauch der Pfeife ausstossend "Und du wirst das Tier bis zu einer Antwort des Bürgermeisters aufbewahren."
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Der Schwarze war gekommen und Eberle ein wenig kleiner geworden auf seiner Bank. Ob er wohl schimpfen würde? Treuherzig blickte er Frau Winella an, als diese seine Schulter mit der Paste bestrich und sogleich der Schmerz erträglicher wurde.

Dann machte er sich über die Pastete her, und währenddessen erzählte er, wie er im Wald überlebt hatte. "A richtig wuilds Schwein, dia Wuildsau", bekräftigte er.

Er hörte den Worten des Schwarzen zu. Als dieser davon sprach, dass die Sau wohl der Gräfin gehörte, da wurde er blaß. Und als der Meister gar davon sprach, ER, Eberle, sollte den Bürgermeister informieren, da brauste der kleine Mann auf. "Bisch´d narrisch? Der lässt mi doch goar ned aussprecha und schupft mi glei in a Zelln".

Erregt lief er in der Hütte hin und her. "Kunnt ma´s ned der Pfarrin geba, für´d Armen? Derer tät a amoil mehra zum Essa a ned schada, diar is so dürre, gegn dia schaugt ja selbst dear Tod aus wia a Specksau".

Eberle blieb vor Ansgar stehen. "Na, Moastr, i fiarcht mi. Aloi gang i net".
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Ansgar grinste über's ganze Gesicht. "Eberle, Eberle ... du erlegst ne Wildsau mit blossen Händen, machst dir aber in die Buxen, wenn du zum Bürgermeister sollst." Dann klopfte er dem kleinen Mann auf die Schulter "Ich komme mit und die Sau den Armen zu geben ist eine sehr gute Idee."

Er hielt die Hand auf der Schultern des Bayern, drehte ihn eine halbe Drehung um sich selbst, so dass er zur Tür schaute und schob ihn an. "Und jetzt geh und räum den Karren aus, sonst machts ein anderer für dich. Und dann hast du Ärger mit mir."
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Winella musste sich hart auf die Lippen beißen, als Eberle aufrumpelte und protestierte. Einmal mehr fragte sie sich, ob Ansgar alles verstand, was dem kleinen Bayern alles so rausrutschte. Doch war sie beruhigt, dass Ansgar mit zum Bürgermeister gehen würde. Winella hoffte, dass das Wort des Küsters zu Eberles Geschichte etwas galt. Sonst konnte es übel für den kleinen Kerl ausgehen.

Als Ansgar Eberle hinaus geschickt hatte, lehnte sich Ella kurz an ihn und fing dann an zu kichern, trotz aller Sorge. "Ich frage mich, was diesem verrückten Kerl noch alles passiert", sagte sie, ehe sie sich auf Zehenspitzen stellte und ihm einen Kuß stahl.

Draußen rumpelte der Eberle mit dem Holz.

"Ich war heute nachmittag bei Trine und Vitus...und all den anderen. Es ist so schön, sie hier zu haben. Sie konnten noch nicht sagen, wann sie wieder aufbrechen, ich hoffe, noch nicht so bald." Sie löste sich aus der Nähe und holte einen Krug Wein und zwei Becher. "Ihr mögt doch?", fragte sie und goß schon ein.

Die Tür krachte auf, darin stand ein puterroter, schnaufender Eberle und hievte die vielbesprochene Wildsau herein, lud sie vor der Hintertüre ab. Der Geißenpeter knurrte das Vieh an und Ella bekam große Augen: Hatte sie bisher gedacht, der Eberle hätte in Größe und Kraft übertrieben, so zeigte sich nun, dass das Schwein tatsächlich ein Mordsbrocken war.

"Do host es", brummte der Bayer nur und schickte sich wieder an, hinauszugehen. Die Tür machte er sorgsam zu.
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Eingeschüchtert trat der kleine Bayer in die Amtsstube des Bürgermeisters. Vermutlich wäre er gar nicht eingetreten, wenn der Schwarze ihm nicht einen Extra-Schubser gegeben hätte, mit den Worten, er würde draußen warten, für den Fall, dass Eberle ihn brauchte.
Verlegen drehte er nun den Hut in den Händen, während er versuchte, dem Stadtpfleger zu erklären, wieso er ein gräfliches Schwein entseelt hat.

„Woaßt, Herr Bürgermeister, hoabe die Ehre, dös Viach hot mi a´griffa, i hoff, dös woar kei Wachsau…oiso….“, ihm fiel ein, dass der werte Herr Bürgermeister vielleicht nicht verstand, was er, der Eberle sagen will. „Dös Schwein, dös wilde“, er beschrieb mit den Händen einen großen Körper und deutete dann mit der Hand einen Rüssel an, dazu grunzte er, „jagte mich umman Wagn he-rum.“ Anschaulich drehte er den Finger im Kreis. Gerannt war er, wie damals, als er das erste Mal bei der Agatha am Fenster geklopft hatte und der Vatter ihn erwischt hatte. „Und dann isch eahm…ist der Sau“, bemüht sprach er, während schon wieder Schweiß auf der Stirn erschien, „ein Trumm Baum aufs Hirni ei´gschlagn, so dass es nur noch d´Zung rausg´hängt hot und d´Augn aussidruckt.“ Und auch der Bayern hängte die Zunge raus und machte große Augen, damit der Bürgermeister auch ja verstand. „Mei, und do hoab i überlegt…ich dachte nach, Eberle, dachte ich, Eberle, musst´ das edle gräfliche Tier von seiner Qual d´erlösn. Oa Grafenschwein doarf ma ned leid´n lassa.“

Mit dem Ärmel wischte er sich die Stirne ab. „Woaßt, Herr Bürgermeister, hoabe die Ehre, jetzt fiarcht i hoid, dass die Frau Hochwohlgeboren, die Gräfin, sauer auf mi is, weil i a Eigentumssau g´metzgert hob…aber i schwör bei mei´m Leaba und dem moaner Agatha, na bei derer ned, die is scho g´storbn, also, bei mei´m Leaba: S´woar koa Absicht, i woid nur mei armseligs Leaba retta“.

Kleinlaut guckte er den Bürgermeister an. „Moanst, Herr Bürgermeister, sie werd mi doch net glei aufhänga lassa? S´wär doch ewig schad um mi?“

Weiter knetete er den Hut in seiner Hand und wartete, was man mit ihm machen würde.

Der Bürgermeister starrte ihn lange an. Gefühlte Stunden. Doch er sagte nichts.

Kleinlaut griff Eberle nach dem Hut und verabschiedete sich: "Ihr werdet´s sicha ei´verstanden sei, so moan i, woals nix soagt, i gebs den Armen, dös Viach...."

Er ging raus aus dem Büro, murmelte zum Schwarzen: "Fands net so schlimm, scheinbar, i hob g´sogt, i brings zu den Armen"

Der Eberle ging hinaus, in Richtung der langen Gasse, wo die Frau Winella wohnte. "Ka´sch eikocha, dia Sau....für die Oarma".