Was ist das hier für eine Seite?

Eberle ist eine Figur, die ich als NPC im Spiel "diekoenigreiche.com" erschaffen habe. Doch mittlerweile ist er für mich weit mehr als nur ein NPC, er hat eine eigene Geschichte, eine eigene Vergangenheit und ich fands eigentlich schade, dass die Geschichten um ihn irgendwann verschütt gehen würden.


Und so hab ich ihn hier in diesen Blog gestopft.


Ich danke dem Spieler des Ansgar ("der Schwarze) für die Genehmigung, seine Beiträge mit verwenden zu dürfen.





Sonntag, 12. Dezember 2010

Eberles besonderer Traum

7. Tag des Julmondes

"I woaß ned, i woaß ned”, der Eberle nahm seinen alten speckigen Hut vom Schädel und kratzte gedankenverloren, bis ein Schippel Haare wild vom Kopf abstand. Dem Schneefall der letzten Tage, der für jede Menge Arbeit für den kleinen Bayern gesorgt hatte – galt es doch, Kirchplatz und Gassen freizuschaufeln – dem Schneefall war nun Regen im milden Tauwetter gefolgt. Schwer lag der Schnee auf den Ästen der Bäume, einige waren unter der Last abgebrochen. Auch vom Dach von Kirche und Pfarrhaus lösten sich vereinzelt Lawinen, rutschten unter lautem Brausen herunter und krachten auf den Boden. Es war gefährlich in diesen Tagen zu nah an Häusern zu gehen. Nicht auszudenken, wenn so etwas einem Menschen auf den Kopf fiel oder gar durch das Dach der Kirche brach.

„I werds a`reima“, bestimmt nickt der Kerl vor sich hin. Flugs hatte er die große Leiter geholt, stellte sie ans Kirchendach und stieg mit einem langen Stiel, an welchen er ein dünnes Brett genagelt hatte, langsam die 15 Sprossen aufwärts. Oben angekommen machte er sich sogleich ans Werk, mit dem Schieber zog er dann den schweren Schnee vom Dach, Bahn um Bahn. Gut kam er voran, ab und zu brüllte er ein: „Vorsicht, da unda, da kimmt a voill Breitseitn ubremst abi“ hinunter, wenn jemand gar zu nahe kam. Bis mittag war er mit der einen Seite fertig, am Pfarrhaus ebenso und kurz entschlossen stellte er die Leiter noch einmal an – an der Rückseite der Kirche. Und wieder stieg er hinauf, räumte den Schnee ab, fröhlich vor sich hin pfeifend. Wenn er hier fertig war, dann würde er zum Berglerwirt gehen und eine warme Suppe essen. „Nur noch da voarn….“, die Zungenspitze fährt unter dem breiten Schnauzer über den Mundwinkel, als sich der kleine Bayer auf der langen Leiter streckt … und streckt…um auch den letzten Rest zu erreichen…doch plötzlich: „I verreck, so a Dreck“, schlüpfte es noch von den Lippen des erschrockenen Eberle, dann rutschte die Leiter zur Seite weg und Eberle suchte verzweifelt Halt.

Als ihn etwas ihm Rücken traf, griff er instinktiv danach und als die Leiter am Boden ankam, hing der Geselle keuchend an einem der dicken Äste des Baumes, der im Kirchgarten stand, die Beine baumelnd, das Gesicht verzerrt vor Schreck. Doch jeder Versuch, ein Bein nach oben um den Ast zu schlingen, scheiterte, im Gegenteil – ein lautes Knacksen deutete an, dass Schneelast UND Kerl zu viel für den Ast waren. Dem Gesellen stand Schweiß auf der Stirn, ganz ruhig blieb er nun hängen – und das Knacken wiederholte sich nicht. Vorsichtig lugte der Kleine auf den Hof hinunter, doch wer außer der Pfaffin würde sich im Garten bewegen, und die war bekanntlich ja nicht da. Während er noch so überlegte, kam eine Krähe über das Dach geflogen, setzte sich mitten auf den First. „Puh“, seuftze der Bayer erleichtert. „Krah“, machte die Krähe. „Hoid doan Schnabel“, brummte Eberle. Die Krähe hüpfte neugierig näher. „I warn Di“, drohte der Eberle, mangels freiem Arm, mit dem er winken konnte, machte er nur ein wildes Gesicht mit großen Augen, um das Vieh zu erschrecken, „GSCHT, GSCHT“.

Es half aber nix. Der Krähe gefiel das hängende Bürschlein sichtlich gut, wie es schien, sie legte den Kopf schief und hüpfte dann nochmal näher. Nun saß sie am Dachrand. Eberle kniff die Lippen zusammen, zog dann geräuschvoll durch die Nase hoch und versuchte, mit Spucken die Krähe zu verteilen. Es knackte wieder, und getroffen hatte er auch nicht. „Mistviah, elendigs“, schimpfte der Eberle, als sich plötzlich die Krähe erhob und mit zwei Flügelschlägen auf dem Ast mit dem Eberle niederließ.

Ein Krachen, ein Krähen und ein Brüller waren eins, als der Ast sich dem Gewicht geschlagen gab, die Krähe aufflog und der Eberle sich verzweifelt an den Ast klammerte. Zwei, dreimal schlug er an einem anderen Ast an, dann landete der Kerl auf dem Boden, immer noch fest an den Ast geklammert. Nacht wurde es um ihn.

~

Plötzlich lag er nicht mehr auf dem Boden, er saß in der Kirche. „Jemine, war dös a Rumser“, er strich sich über den Kopf, wo er eine Beule vermutete, doch da war keine. Es tat ihm auch nichts weh. Verlegen blickte er nach vorne, wo der Altar war. „I hobs vergessa, ganz eahrlich, HERR“, sagte er bedrückt, „i hätt fraga solla, ob i no amoi aufs Dacherl steiga derf“. Er schniefte. „Woaßt, i moans doch alweil ned beas, aber es geht hoid so fui schiaf“. Immer ging alles daneben. Sein Weib hatte er verloren, weil er nicht da war, als der Sturm kam. Lohn hatten sie keinen gekriegt in Wien, weil er, der Eberle, einen ganzen Ballen ins Wasser geworfen hatte. Der Schwarze hatte es ausbaden müssen, als er, der Eberle, das Maul in der Mine zu weit aufriss. Sein Weib, die Winella, hatte einen Tritt vom Maultier bekommen, weil er, der Eberle, es nicht festhalten konnte. Er nahm den Hut vom Kopf und drehte ihn nachdenklich in den Händen. „Alweil mach i ois falsch. Weißt, HERR, manchmal mein i, mi soids goar ned geam, dann würden a paar Leitl leichter leam“. Die Schnurrbartenden hingen traurig herunter. „Woaßt, wenns´d mi ned gmacht hättst, dann hätt die Agathe bestimmt an feschen Burschn gheiratet, den Sattler fuilleicht, oder den …dia hätt bestimmt an guaten Mo gfunda, und dann hätts ned draußa gstanda, als der Balken abi kam“. Tief seufzte der Eberle. „I moch alweil nuar an Ärger, glaub i….wär echt besser, i wär ned do“.

Eine leichte Brise streifte Eberle, so dass er verwundert aufblickte. Auf einmal war er nicht mehr in der Kirche, er stand in seinem alten Dorf, Adlkofen, am Gottesacker….das halbe Dorf war da…erfreut sprang er auf seine Spezln zu, doch die sahen durch ihn hindurch, sie können ihn nicht sehen. Auch, als er dem Baschtl eine Watschen gab, schien der nichts zu bemerken. „I glaub, i spinn“, murmelte der Eberle halblaut vor sich hin, „so a Bockfotzn ka doch ned so einfach ei´gsteckt werdn“. Er sah sich um, wer alles da war. Und wer wird da begraben? Klamm ward ihm ums Herz, als er zu dem einfachen Sarg trat, doch darin lag nicht Agathe, sondern Friedwilme, die Nachbarin. Ein paar Gesprächsfetzen drangen an sein Ohr. „Einfach zusammengefallen, das alte Haus, war ja wurmstichig….hot koa Möglichkeit ghobt, dös Weib…ma hot ihrer ja alweil gsogt, dös is gefährlich, in derer Ruin zum wohna…wo hätts denn a neies Haus hernemma soin….“ Feucht ist es in Eberles Augen, als er sich der Nachbarin erinnert, die immer so freundlich zu ihm und dem Weib gewesen war, aber bettelarm. Es war so recht gewesen, ihr damals die eigene Kate nach Agathes Tod zu schenken. „Woar doch fui besser in Schuß…naaa, dös ko goar ned sei, dass doad is, die Friedl, dia hot doch mei Haus krieagt..."

Die Brise kehrte zurück, so, dass er gleich die Augen schließen musste. Als er sie wieder öffnete, stand er im Wald. „I woaß, wo dös is“, nickte er langsam. Das war der Wildschweinwald. Und da, guck an, kam ein Weib, an der Hand ein kleines Kind, sie haben Holz gesammelt, wie es schien. Eberle lupfte den Hut, grüßte und freute sich auf ein Schwätzchen, doch sie schienen ihn nicht zu sehen, denn fröhlich sprachen die beiden weiter, Bub kickte einen Stein ins Gebüsch, ein Brüllen, hervor brach eine Wildsau… ehe Eberle etwas tun konnte, war da wieder der Wind, doch hörte er den verzweifelten, angsterfüllten Schrei noch….“Dös war doch mei Wildsau!“, geht’s dem Eberle durch den Kopf. Das Vieh, welches er eher unkonventionell erlegt hatte, hatte seinerzeit für Wochen als Armenspeisung gereicht.

Nun stand er auf einem Markt, er erkannte Ulm. Um ein Weib mit fiesem Gesicht scharten sich einige andere Weiber, tuschelten, zischten und grinsten hämisch. „Guck diese fiesen Ratschweiber“, neben Eberle steht ein Kerl mit seiner Frau, die sich angewidert über die Weiber äußern, „hecheln alles durch, was ihnen vor die Nase kommt…es heißt, die junge Magd war nicht die einzige, die sich der Todsünde ausgeliefert hat und ins Wasser ging, ja, eine von diesen Armen…hat sich wohl mit einem Knecht eingelassen…, und diese gräßlichen Hexen haben sie in den Tod gekeift“. Eberle starrte quer über den Markt, ohne etwas wahrzunehmen. Mit den Weibern dort kannte er sich aus, hatte er doch damals sie allesamt zur Sau gemacht, als sie über ihn und Yda tratschten. Und danach hatten sie sich zusammengerissen, waren gar beichten gegangen.„O, mei, Sanne, wos host nur dua.“ Das Mädel war damals im Pfarrhaus untergekommen.

Er saß wieder, in der Kirche in Mainz, wie er bemerkte. „Woaßt, HERR, i bi miar ned ganz sicher, wos´d damit sogn wuist.“ Er blickte zum Altar und wünschte sich, er könnte den HERRN dort sehen, aber er sprach ja sonst auch mit ihm. Plötzlich krachte es über ihm, das Dach über dem Altar stürzte ein. Holz, Ziegel…Schnee…..nur einen kurzen Augenblick dauerte es, dann flimmerte es kurz vor Eberles Augen, er saß wieder in der vordersten Bank, der Altarraum unversehrt und schön wie immer.

Auf einmal liefen dem Eberle Tränen über das dicke, schnauzbärtige Gesicht. Er schniefte, wischte mit dem Ärmel über die Augen. „Moanst echt, HERR? Ja, i glaub, i hobs begriffa. Ja, i denk, scho“. Er nickte langsam. „I bi ned alweil der Trampel, der ois hi macht, ned alweil. Naaa“, er hob die beschwichtigend die Arme, „i schiab dös ned Diar in die Schuah, HERR, Du woaßt scho, warum Du dös ois so machst..“ Er zog den Kopf ein. „Wenn dös frech war, derfst miar bei Gelegenheit amoi an Schneeball ind Gosch werfa. Aber i dank Dir schee, dass mir dös zoagt host“.
~

„Auuuuu“, langsam kam der Bayer wieder zu sich und merkte, dass er im Schnee lag. Der Kopf schmerzte, seine Finger ertasteten eine fette Beule. Leise stöhnend setzte sich der kleine Kerl auf, drehte sich auf die Knie, dann stand er langsam auf – die Hand fest am Baumstamm, um sich festzuhalten.

Von oben kam eine ganz kleine Schneelawine und traf den Eberle auf der Nase. Verzagt blickte der Geselle nach oben. „Is recht“.