Was ist das hier für eine Seite?

Eberle ist eine Figur, die ich als NPC im Spiel "diekoenigreiche.com" erschaffen habe. Doch mittlerweile ist er für mich weit mehr als nur ein NPC, er hat eine eigene Geschichte, eine eigene Vergangenheit und ich fands eigentlich schade, dass die Geschichten um ihn irgendwann verschütt gehen würden.


Und so hab ich ihn hier in diesen Blog gestopft.


Ich danke dem Spieler des Ansgar ("der Schwarze) für die Genehmigung, seine Beiträge mit verwenden zu dürfen.





Samstag, 1. Mai 2010

Die Teufelsmühle

30. Ostaramond, die Walpurgisnacht...nach Einbruch der Dunkelheit

„Is dös dei Ernscht?“ Mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund horchte der kleine Bayer Eberle schon geraume Zeit dem alten Torwächter mit dem von den Blattern zernarbten Gesicht zu. Gabriel nennt der sich. Vor drei Tagen hatte Eberle den Alten kennen gelernt, beim Bier im Brandnerwirtshaus. Dessen Wirt, der Brandner, der seinen Namen von seinem flammend roten Haar hat, grinste vom Tresen herüber. Der Gabriel konnte spannende Geschichten erzählen, auch die Wiener hörten sie immer wieder gern. Der Brandner kannte sie, seit er klein war, und noch immer gruselte es ihm bei so mancher.

Dem kleinen dicken Kerl aus Bajuwarien schien es nicht anders zu gehen. Und auch die übrigen Schenkenbesucher hatten ihre Gespräche mittlerweile eingestellt und hörten dem Torwächter zu, wie er mit heiserer Stimme vom Ritter vom Drachenfelsen erzählte. „Du moanscht, er hot´s eifach abi g´worfa in den Brunna?“. Vor lauter Spannung vergaß Eberle, von seinem Bier zu trinken. Die Geschichte der Teufelsmühle war aber auch zu spannend. Gabriel hatte erzählt, der Ritter Kilian hätte die Mühle nur als Tarnung betrieben, in Wahrheit sei er ein gemeiner und heimtückischer Räuber gewesen. „Dabei hatte er ein gutes Weib, das jeden Tag zum Herrn betete, dass der Gemahl den Höllenpfad verlassen würde“, hatte der Torwächter berichtet und vielsagend den Kopf hin und her geneigt, „angefleht hat sie ihn auf Knien, dem Räubertum abzuschwören, nur so sei es noch möglich, nach dem Tod zur Sonne zu gehen“.

Schwermütig nickte Eberle mit dem dicken Schädel. „Ois nix g´holfa….“, murmelte er versonnen. Gabriel nickte und erzählte in blutrünstigen Worten, wie der Ritter sein Weib an den Haaren zum Brunnen gezogen und hinuntergestürzt hatte. Geschrien hatte sie…bis sie auf einmal verstummte und dann ein harter Aufprall zu hören war. Dem Eberle stellte es alle Haare auf vor Grusel. „Und dann“, mit seiner düsteren Stimme verstand der Torwächter es perfekt, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, „war das Maß voll. Diese letzte scheußliche Untat war das letzte Sandkorn in der Schale des Schicksals. Während der Ritter sich noch mit fiesem Grinsen vom Brunnen abwandte, erhob sich ein gewaltiger Sturm über der Mühle, der Himmel wurde pechschwarz. Ein fürchterliches Heulen war landauf, landab zu hören, als die Kreatur ohne Namen und ihre Schergen sich über der Mühle zeigten…den Sünder packten – und auch alle seine Mitstreiter, und sie unter deren grässlichem Geschrei mit in ihr Reich holten“.

Im Feuer des Kamins knackte laut ein Holzscheit in der Hitze, die Zuhörer – auch Eberle – schossen hoch. „Ja, himmisakrament, jetzert hätt i mir fast nei´brunzt vor lauter Schreck“, mit einem großen Leinentuch, demselben, das schon vor einigen Tagen das dralle Weib im Hafen bewundert hatte, trocknete sich der Bayer die schweißnasse Stirn. „Und jetzt? Wiaso hot der Sattlerbursch zu miar gsogt, er dät da niemals nich auf´d Nacht vorbeimarschiera…eigentlich auch bei Doag net? Isch doch furt, der Saukrüppel, der elendige, mit seiner Drecksbagasch“.
Der Torwächter starrte schweigsam in seinen Krug und irgendwann ging dem Eberle ein Lichtlein auf. „Hee, Brandner, bring´sch döm Gabriel a´ a Hoibe, und miar auch glei, wennsch´d scho dabei bisch´t“. Geduldig warteten die Zuhörer, bis das Bier auf dem Tisch stand und der Gabriel einen guten Schluck getan hatte. „Freilich, der arge Ritter war nun fort, doch das Weib im Brunnen, tot war sie, doch keiner wusste davon. Ihre gequälte Seele fand keine Ruhe. Bei Nacht, so hieß es bald, würde schauerliches vorgehen in der Mühle – also wollte niemand dort leben. Dornen überwucherten Haus und Hof. Die Menschen erzählten sich, die Kreatur selbst würde dort hausen, und inmittig der tiefsten Nacht aus dem Höllenloch darunter heraufkriechen, um die Mühlräder in Gang zu setzen.“ Der Kerl neben Eberle nickte eifrig. „Gräuliches ging dort vor, zur Mitternacht, mein Urgroßvatter, der HERR möge sich seiner erbarmen, hat uns Kindern früher schon davon erzählt, und der hatte es von seinem Vatter. Keine lebendige Seele wollte am Hof auch nur vorbei laufen“.

Die Tür ging auf, ein weiterer Gast kam herein.

„Jetzert verzähl scho, wia´s aus´ganga is, loss mi doch ned dastanda wia an Gmoidsdepp“, Eberle wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Geschichtenerzähler zu. „Du glaub´sch doch ned, dass is jetztert auf´s Lager kriacha ka, da ka ich ja die halbert Nacht net schloffa“. Der Gabriel schmunzelte kurz, es schien ihm Freude zu machen, wie der kleine Kerl sich ereiferte. „Also gut, dann höre. Die Jahre gingen ins Land, die Mühle hieß nur die „Teufelsmühle“ bei den Wienern. Alle mieden den Ort. Da kam einmal ein junger Ritter mit seinem Knappen vorbei. Ein Unwetter hatte sich schon angekündigt, und nun brach es über sie herein, so dass ein Weiterreiten unmöglich war. Die beiden suchten Schutz für sich und die Rösser. Kaum waren sie im Haus, da war es Mitternacht und eine geisterhafte Gestalt in Ritterrüstung kam mit einem Sack auf der Schulter und lief durch die Mühle. Es war…“, eine Pause machte der Erzähler und Eberle ergänzte atemlos: „…der Teufelsritter. Ja, i verreck, i wär ja g´storbm vor lauter Spuntes. Mei, red, Bursch, isses guat ausganga?“.

Kreidebleich war der kleine Bayer im Gesicht, doch schweißgebadet. Der alte Torwächter fuhr fort: „Der junge Ritter Gunther von Schwarzenau fürchtete sich nicht, sondern er rief laut: „Beim HERRN und seinen Propheten – ich beschwöre Dich, sag mir, wie ich Dich erlösen kann, so wahr mir der Schöpfer helfe: Ich werde es tun“. Erneut befeuchtete Gabriel seine Kehle. „Da wurde es mit einmal grabesstill, die Mühlräder blieben stehen und die geisterhafte Gestalt verschwand. Statt dessen erklang die Stimme eines Weibes, aus der Ferne: „Du edler Ritter, Deine Gottesfurcht und Güte sind Deine Stärke, Du kannst mich erlösen. Mein sündiger Gemahl stürzte mich dereinst in den Brunnen, meine Seele kann nicht ruhen, solange ich nicht in Frieden bestattet wurde. Wenn Du mich von dieser Qual erlösest, so wird der HERR auch ihm verzeihen, ihm, der schon so lange bereut, was er getan. Es wird Dein Schaden nicht sein.“

Vor lauter Spannung hätte Eberle am liebsten in seinen Hut gebissen. Doch er bezwang sich – guter Filz war teuer und sein Hut sein liebstes Stück. „Herrgottsakrament, Gabriel, so red doch“, drängte er. „Gleich nach Morgengrauen machten der Ritter und sein Knappe sich auf die Suche nach dem Brunnen, fanden ihn. Der Ritter hieß den Knappen, ihm mit dem Seil hinab zu lassen in das dunkle Loch, Elle um Elle. Dunkel war es dort, der Geruch nach Fäulnis und Verwesung war ekelerregend. Fast hätte der Ritter wieder umgedreht“. Wieder machte der Torwächter eine Pause, wofür ihn Eberle hätte erwürgen können. Wild guckte er ihn an und schnaufte, puterrot im Gesicht. Scheinbar bot er einen angsteinflößenden Anblick, denn Gabriel beeilte sich nun. „Tatsächlich fand er den Körper und hievte ihn mit der Hilfe des Knappen aus dem Brunnen. Sie war tot, doch das Fleisch fiel noch nicht von den Knochen, auf unerklärliche Weise, war sie doch seit vielen Lenzen hier im Brunnen gelegen. Ein Pfarrer wurde geholt, der das arme Weib ordentlich bestattete, auf dem Gottesacker. Von da an war Ruhe in der Teufelsmühle – nie wieder wurden die Mühlräder gehört, nie wieder erklang das Weinen des Weibes aus dem Brunnen. Doch dem Ritter von Schwarzenau blieb seiner Lebtag lang das Glück hold – alles was er anpackte, gelang, und als er in hohem Alter schließlich verstarb, da meinten seine Leute, sie hätten an seinem Bett für einen Moment zwei Gestalten gesehen – die eines Weibes und eines Ritters, die seine Seele zur Sonne, vor den HERRN, führten“.

Ungeniert nahm Eberle das große Tuch und schneuzte kräftig hinein, so gerührt war er. Er mochte Geschichten, die gut ausgingen. „Herrje, Gabriel, was füar a Gschicht.“ Anerkennend klopfte er dem Torwächter auf die Schulter. Er nahm sich fest vor, sie bei nächster Gelegenheit dem Schwarzen und seinem Weib zu erzählen.

Doch als der gute, kleine Kerl kurz vor Mitternacht durch die Gassen Wiens schwankte, um zu der kleinen Herberge zurückzukehren, die derzeit sein Heim war, blickte er sich mehr als einmal um. Plötzlich lief ihm eine Katze zwischen die Füße, er trat ihr auf den Schwanz, sie kreischte auf. „Herrgott, steah miar bei, dös Mühlenweib“….und so schnell ihn seine kleinen dicken Beine trugen, rannte er zur Herberge, hastete die Treppe hinauf und verrammelte die Kammertür hinter sich.

Wilde Träume suchten ihn heim in dieser Nacht.